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Fr, 30.05.2014: Lhasa, sonnig/Regen, 24°C
Heute standen das Drepung und dann anschließend das Sera Kloster auf dem Programm.
Das Drepung Kloster ist eines der bedeutendsten Klöster der Gelug Sekte (Gelbmützen) und war einst die größte Klosterstadt der Welt. Es wurde 1416 von Jamjang Chöje Trashi Pelden - einem Schüler des Tsongkhapa, dem Begründers des Gelug-Ordens - gegründet. Als ehemalige Residenz der Dalai Lamas (vor deren Übersiedlung in den Potala Palast zu Lhasa) hatten die Äbte von Drepung stets eine wichtige Rolle in der Politik Tibets inne. Vor 1959 lebten in Drepung über 10.000 Mönche, es war das größte Kloster Tibets und besaß 186 Landgüter, verfügte über rund 20.000 Leibeigene, 300 Weidegebiete und 16.000 Hirten. Während der Kulturrevolution wurde Drepung vor der Zerstörung durch die Roten Garden bewahrt. Mitte der 1980er Jahre gab es wieder zwanzig Mönche, heute sind es etwa 300 bis 600.
Drepung liegt außerhalb von Lhasa und ist eine sehr große Klosteranlage an einem Hang. Wir mussten eine ganze Reihe Treppen steigen, um zum Eingang zu kommen. Bar erklimmte noch einige Hundert mehr, um zu einem Aussichtspunkt zu gelangen und verirrte sich auf dem Rückweg. Wir warteten und warteten auf ihn. 30 Minuten lang. Mit total verschwitztem und sehr blassen Gesicht kam er dann endlich. Er wirkte orientierungslos und konfus. Wir machten uns Sorgen. Wahrscheinlich war er mal wieder unterzuckert und die Anstrengung vom Treppensteigen hat ihm den Rest gegeben.
Erneut sahen wir viele Buddha und Tara Statuen, Schriften, Grabstätten der ersten vier Dalai Lamas, die Versammlungshalle, die große Küche mit den riesigen Kochkesseln und vieles mehr. Fotografieren war hier erneut sehr teuer und insofern haben wir das in den Räumen einfach ausgelassen. Irgendwie sieht ein Kloster in Tibet aus wie das andere und langsam wurde es uns ein wenig zu viel. Aber es sind schon tolle Kulturschätze und zum Glück werden einige davon wieder restauriert.
Zum Mittagessen ging es ins Sera Kloster. Hier servieren Mönche für die Besucher diverse Gerichte. Wir hatten uns auf dieses Erlebnis gefreut, wurden aber echt enttäuscht. Das Restaurant war drinnen und draußen total verdreckt. Überall lagen Essensreste herum, die Tische sahen aus wie Sau und davon alleine ist uns schon der Appetit vergangen. Hinzu kam, dass das Essen entweder viel zu scharf oder viel zu fade war. Wir gaben nach ein paar Bissen auf und holten uns im Klosterkiosk die bewerten Joghurts und Kekse. Selbst Peldon bevorzugte das.
Schlimm war hier auch die Toilette. Eine einzige für Hunderte von Besuchern am Tag. Schon von weitem musste man die Luft anhalten. Und wo lag die Toilette? Direkt neben dem Restaurant! Noch Fragen?
Ich hatte dann noch ein sehr nerviges Erlebnis. Ein kleines Mädchen stürzte vor dem Restaurant auf mich zu und bettelte mich an. Eh ich überhaupt reagieren konnte, griff sie mit der Hand nach meinem Portemonnaie, dass ich vorne in meiner Hose hatte. Reflexmartig klatschte ich mit meiner Hand ihre weg und ermahnte sie mit einem lauten "No!". Ein Elternteil kam und zog die Kleine davon. Die Restaurantbesucher starten mich an. Ich war echt perplext, denn das war uns bis dato auf der gesamten Asientour noch nicht passiert. Als wir dann später im Restaurant das schlechte Essen probierten, kam die Kleine nochmals an unseren Tisch. Sie brabbelte auf mich ein und Peldon übersetzte die Entschuldigung.
Solche Momente sind im Leben nicht einfach. Natürlich geht es uns viel besser, als so vielen armen Menschen auf dieser Welt. Wir hatten einfach Glück bei unserer Geburt und sind unter besseren Umständen aufgewachsen, die uns alle Optionen für ein gutes und freies Leben gegeben haben. Dennoch halten wir grundsätzlich nichts davon, kleine Kinder zum Betteln zu ermutigen. In Indien werden Tausende von Kinder im Jahr mit Absicht von Organisationen verkrüppelt, damit sie das Mitleid anderer erregen und Geld einbringen. In Mexiko stehen Zwei- bis Vierjährige am Straßenrand und betteln um Geld, wenn man langsam über die Topes fahren muss. Wir erleben es jedes Mal, dass Amis und Kanadier die Fenster öffnen und Kleingeld auf die Straße schmeißen und sich dabei auch noch gut fühlen. Aber was lernen diese Kinder davon? Das ihnen das Geld nachgeschmissen wird, anstatt, dass sie dafür arbeiten müssen. Diese Kinder bekommen nie eine vernünftige Schulausbildung, die dann in einen Beruf führt. Sie werden ein Leben lang betteln gehen. Es ist ein zweiseitiges Schwert. Wer helfen will und kann, der findet andere Möglichkeiten, als Geld oder Süßigkeiten an Kinder zu geben.
Nach unserem Mittagessen haben wir uns dann noch das Sera Kloster angucken wollen. Es liegt 4km nördlich von Lhasa und ist eines der "Drei Großen Klöster" der Gelug Sekte des tibetischen Buddhismus. Gegründet wurde das Sera Kloster 1419 von Sakya Yeshe, einem wichtigen Schüler von Tsongkhapa, der die Gelug Sekte ins Leben rief. Es war ursprünglich eine im ganzen Himalaya bekannte Klosterstadt mit mehr als 5000 Mönchen.
Peldon führte uns direkt zur großen Versammlungshalle. Hier bekamen die Mönche gerade ihr Essen. Es gibt nur zwei Mahlzeiten am Tag. Einmal früh morgens und dann noch einmal am frühen Nachmittag. Serviert wurde es von jungen Klosterschülern, die mit großen Schöpfkellen den Mönchen Reis und Joghurt in die Schalen oder Plastiktüten füllten. Überall wurden Gebete gemurmelt und viele der Mönche scherzten auch einfach nur miteinander. Wir konnten am Rande der Versammlungshalle sitzen und das Treiben beobachten.
Anschließend sollte es im Hof draußen die spirituelle Debatte der Mönche geben. Das ist eine Besonderheit im Sera Kloster. Diskussionen werden dadurch ausgetragen, dass jemand herausgefordert wird auf philosophische Fragen zu antworten. Dazu klatscht der Mönch laut die Hände. Der vor ihm Sitzende antwortet. Am nächsten Tag werden die Rollen getauscht. Die Debatten werden teilweise äußerst intensiv betrieben.
Heute war das aber leider nicht zu beobachten, denn draußen regnete es inzwischen in Strömen und der Hof war klitschnass. Wir ersparten uns den Rest des Klosters und unser Fahrer brachte uns zurück ins Hotel.
Tibet Tour Teil 4 - Lhasa (Drepung & Sera Kloster, Moslemisches Viertel)
Wir nutzten den freien Nachmittag zum Pizzaessen und entdeckten anschließend eine kleine Bäckerei (die war nicht größer als Winnie!), die köstliche kleine Kuchen verkaufte. Wir vertilgten unseren Nachtisch auf der Straße und gingen gleich noch einmal zur Bäckerei zurück, um uns für den Abend einzudecken. Der Besitzer freute sich sichtlich über unsere "Daumen hoch" Geste und stand stolz für ein Foto bereit.
Sa, 31.05.2014: Lhasa, sonnig, 24°C
Wir nahmen Abschied von Bar und Claudie, die heute ihren Rückflug nach Kathmandu hatten, und trafen uns beim Frühstück mit Tiziana und Laurent, die erst gestern nach Lhasa gekommen waren. Natürlich hatten sie bestes Wetter auf der Fahrt von Gyantse nach Lhasa mit traumhaften Blicken auf den Gletscher und den Azurblauen Yamdruk See. Seufz!
Wir hatten dafür heute den ganzen Tag frei - ohne Tourguide - und konnten machen, was wir wollten. Direkt vor dem Hotel im Moslem Viertel von Lhasa war heute morgen richtig was los. Auf großen Bambustellern wurden Baumrindenstücke, oder so, ausgebreitet. Wie auf dem Aktienmarkt wurde die Ware von Experten begutachtet und dann begann das Feilschen. Wir erfuhren später, dass sich in der Rinde irgendein Tier befindet und es sich hier um eine medizinisch hochwertige Ware handelt, die viel Geld bringt. Vermutlich ist es ein Aphrodisiakum zur Potenzsteigerung. Wir wissen es nicht genau.
Unweit entfernt lag das Ani Sangkyung Nonnenkloster. Wir hatten gehört, dass man zum Gesang der Nonnen gehen sollte, man musste dafür aber Eintritt bezahlen. Als wir dort ankamen, sangen aber nur ein paar wenige und das war uns den Besuch nicht wert.
Wir sind stattdessen gleich weiter zum Jokhang Tempel gelaufen. Dort war der Andrang an Pilgern an diesem Morgen sehr hoch. Wir reihten uns in die Schlange ein, drehten am Eingang die beiden Gebetsmühlen und schoben uns Schritt für Schritt vor.
Der Jokhang Tempel ist das bedeutendste Heiligtum in Tibet und bildet für die Tibeter eine Art Zentralheiligtum, zu dem man mindestens einmal im Leben gepilgert sein sollte. Vor den riesigen Tempeltüren postieren sich fortwährend inbrünstige Pilger, man hört das Klacken der hölzernen Handschützer und das Geräusch von reibendem Holz auf den Steinplatten, wenn sich die Gläubigen flach auf den Boden werfen.
König Songtsen Gampo ließ den Jokhang im 7. Jahrhundert erbauen, um dort die Mitgift seiner nepalesischen Braut, Prinzessin Bhrkuti, einschließlich der Statue des Akshobhya Buddha unterzubringen. Letztere tauschte später den Platz mit der Statue des Jowo Shakyamuni, die aus der Mitgift der chinesischen Prinzessin Wencheng stammte. Der 1,5 m hohe Shakyamuni ist hier in Juwelen und schweren Brokat gehüllt und gilt als meistverehrte Statue in ganz Tibet.
Wir standen etwa 20 Minuten in der langen Pilgerschlange und hatten noch nicht einmal den Innenhof erreicht. Da Touristen Eintritttickets zu relativ hohen Preisen bezahlen müssen (der Eintritt für die einheimischen Pilger ist kostenlos), habe ich mich dann aus der Schlange verabschiedet und einen Sicherheitsbeamten unsere Tickets gezeigt und gefragt, ob wir nicht irgendwie an der langen Schlange vorbei gelotst werden können. Kein Problem. Er nahm uns in den Schlepptau und leitete uns ohne weitere Verzögerung in die erste große Halle. Danke!!!!
Die Halle ist in der Mitte mit großen Buddha Statuen versehen. Von den Außenkanten gehen viele kleine Kapellen ab, die von den Pilgern im Uhrzeigersinn durchlaufen werden. Überall wird flüssige Yakbutter in die Gefäße gefüllt und die Luft ist extrem stickig vom vielen Weihrauch und Kerzengeruch. Helen bekam sofort Platzangst und machte sich gleich in die zweite Etage auf. Ich stürzte mich ins Gewimmel. Hier kam mal wieder zum Vorteil, dass wie locker einen Kopf größer als die meisten Asiaten sind und so konnte ich teilweise was sehen. Fotografieren ging gar nicht. Viel zu dunkel - ohne Stativ wäre hier gar nichts gegangen - und bei den Menschenmassen unmöglich.
Die berühmte Jowo Statue habe ich zwar mit meinen eigenen Augen gesehen, während mir die Pilger auf die Füße traten, aber das Foto (siehe oben) habe ich mir dann aus dem Internet besorgt. In der zweiten Etage war es wesentlich ruhiger und wir konnten die einzelnen Kapellen durchlaufen.
Vom Dach des Tempels boten sich dann wunderbare Ausblicke auf den Barkhor Pfad, den Tempelhof und den Potala Palast in der Ferne. Hier konnten wir auch ausreichend frische Luft in unsere Weihrauch-verseuchten Lungen tanken. Insgesamt waren wir 90 Minuten im Tempel und haben diese Freiheit des eigenständigen Erkundigens genossen.
Nach einer entspannten Mittagspause im Hotel sind wir dann nachmittags noch einmal durch einige Stadtteile von Lhasa gebummelt, haben uns auf dem Weg das Mount Everest Denkmal (ziemlich unspektakulär und hässlich), eine lustige Einkaufsmeile mit menschenähnlichen Schaufensterpuppen, sowie die Goldene Yak Statue angeschaut. Im Zang Gyab Lukhang Park hinter dem Potala Palast genossen die Einheimischen die vielen Freizeitaktivitäten und wir schauten uns auch noch einmal die Pilger an den alten Gebetsrädern rund um den Potala Palast an. Durch Zufall entdeckten wir einen interessanten Fleischmarkt - nichts für Vollvegetarier!
Abends sind wir dann noch ganz gemütlich mit Tiziana und Laurent Pizzaessen gegangen. Die haben natürlich beim Sera Kloster die Debatte der Mönche gesehen, waren aber nicht allzu begeistert davon. Alles ein wenig zu gestellt. Insgesamt waren wir vier der Meinung, dass sich Tibet unter diesen Bedingungen nicht lohnt. Einfach zu teuer und es bleibt zu wenig Spielraum für eigene Erkundigungen. Sollte man das Land in der Zukunft mal als freier Tourist ohne die vielen Beschränkungen besuchen können, dann kommen wir gerne mal wieder.
Tiziana und Laurent hatten einen Flug nach China am nächsten Tag, wir hatten unsere Tickets für die Fahrt auf dem höchsten Zug der Welt von Lhasa nach Xi'an. Davon aber im nächsten Bericht mehr.
Tibet Tour Teil 5 - Lhasa (Menschen und Märkte)