18.-31.12.2006: Álamos
Und die ersten Tage fingen schon gleich gut an. Bei unserem allerersten Spaziergang in den Ort, wurden wir auf Spanisch gefragt, ob wir bei einer Filmszene als Komparsen mitspielen können. Unser Spanisch war nach der langen Abstinenz noch ziemlich holprig, aber wir hatten eine Ahnung, was da in der nächsten Stunde passieren sollte. Man schickte uns zu einer engen Pflastersteingasse, die gleich neben dem Rathaus (Palacio) lag.

Dort erwartete uns der Assistent vom Regisseur und erklärte uns auf Spanisch, was man von uns im Detail wollte. Wir verstanden, dass hier eine Begegnung zwischen einer Dolita und einem coolen Macho stattfindet, die sich auf einer Treppe zum ersten Mal sehen. Die ganze Szene sollte sich im strömenden Regen abspielen. Der Himmel über Álamos war zwar grau, aber von Regen war weit und breit nichts zu sehen. Dieser wurde künstlich mit Wasserschläuchen erzeugt. Dafür hatte man extra einen Wassertanklastwagen angeheuert. Dolita hatte eine weiße Skijacke und darunter schwarze Hotpants an. Sie wurde von dem ersten Take mit einem Wasserschlauch abgespritzt und triefte nur so. Die Ärmste! Zum Glück war die Schminke wasserfest. Macho dagegen durfte in trockenen Klamotten seine Szenen drehen. Nun, dass ist Mexiko! Eine Macho-Welt!

Unsere Aufgabe sollte es sein, im Schnelldurchgang die Gasse hinunter zu laufen. Außer uns gab es noch ca. 15 weitere Statisten, einer davon war Jim - ein Amerikaner, der seit einigen Jahren nach Álamos kommt. Er übersetzte für uns, was wir nicht verstanden. Wir mussten uns unsere Ausgangsmarke (ein hervorstehender Stein in der Hausmauer merken) und dann begann der Countdown von 5, 4 ... bei 2 rannten wir los, bis zum unteren Ende der Gasse und dann rechts um die Ecke. Kaum waren wir dort angekommen, hörten wir ein lautes "Otra vez". Und die ganze Szene wurde von vorne gedreht. Am Ende mussten wir 25 Mal die Gasse runter- und anschließend wieder hoch laufen. Auf dem nassen Pflasterstein kein leichtes Unterfangen für unsere Füße. Helens Sandalen waren durchnässt und Kirsten taten die Hacken weh! Aber Spaß hat es trotzdem gemacht. Anschließend erfuhren wir vom Assistenten, dass der Film "De lo imperdonable" heißen soll und im Januar auf DVD, aber nicht im Kino erscheint. Okay, also keinen Oscar für uns!

Jim kannte einen Geigenlehrer im Ort, wusste aber dessen Adresse nicht. Am nächsten Tag sind wir dann zur Touristen Information gelaufen. Die hatte die Gelben Seiten für "Gringos" und wir fanden Andrews Adresse aufgelistet. Helen wollte unbedingt die Zeit in Álamos nutzen, um Geigenunterricht zu nehmen. Streichinstrumente sind sehr kompliziert zu spielen und Helen wollte sich nicht selbst eine falsche Technik aneignen. Wir trafen Andrew und seine Frau Rosemary in ihrem Garten und kamen gleich in ein super nettes Gespräch. Die beiden kommen seit 8 Jahren nach Álamos, haben hier ein Haus mit tollem Grundstück und leben 6 Monate im Jahr hier unten. Die restliche Zeit verbringen sie zuhause in Montana. Andrew und Helen verabredeten sich für Freitagmorgen zu einer Probestunde.

Kirsten nahm Video- und Fotokamera mit und Andrew zeigte Helen erst einmal, wie man eine Geige überhaupt hält. Dann begannen Bogenübungen - rauf und runter, rauf und runter. Nach 90 Minuten tat Helen der Rücken weh, aber Andrew war trotzdem begeistert von ihrem Potential. Da Helen Noten lesen kann und auch weiß, wie sich die einzelnen Töne anhören müssen, musste Andrew mit ihr nicht bei Null anfangen. Die beiden verabredeten sich für weitere Freitage und das Beste für Helen war, dass Andrew keinen Pfennig für seine Arbeit sehen will. Ganz im Gegenteil, er freute sich auf die Stunden, denn er hatte selbst lange nicht mehr gespielt und brauchte neuen Ansporn.

Am selben Abend sind wir dann noch mit einigen Amerikanern durch den Ort gelaufen und haben Weihnachtslieder auf der Straße gesungen. Kirsten kannte bis auf "Feliz Navidad" kein einziges und machte stattdessen Fotos. Aber wir hatten unseren Spaß. Die Mexikaner im Ort freuten sich sichtlich über das kostenlose Weihnachtskonzert und der Besitzer vom Hot Dog Stand klatschte begeistert mit.

Weihnachten rückte immer näher und die Amis auf dem Campingplatz fingen an ihre Wohnmobile mit Lichterketten zu schmücken. Wir beschlossen dem Winnie mal wieder eine Wäsche zu geben, das Meersalz musste runter. Kirsten hatte jedoch Probleme die Mountainbikes von der Halterung zu bekommen. Eine der Schrauben vom Träger war total verrostet und drehte durch. Kirsten tat das gleiche nach zwei Stunden Gehämmer an der Schraube!

Aber auf dem Campingplatz findet sich immer eine helfende Hand. In diesem Fall war es Rolf - ein Deutscher, der mit seiner Frau Ingelore in einem gelben LKW-Allradfahrzeug um die Welt reist. Er hatte alles an Werkzeugen, was es nur so gibt und löste die Schraube nach gut 20 Minuten harter Arbeit.

Es gab noch ein weiteres Deutsches Ehepaar auf dem Campingplatz. Kurt Jochen (Genannt "Jo") und seine Frau Edi mit ihren Hunden Max und Moritz. Edi war eine echte Computerfachfrau - ihr Sohn war Informatiker und Edi hatte alles an Software, was man so haben musste. Unter anderem "Skype". Wir hatten hier auf dem Campingplatz WiFi Internet und am Heiligabend telefonierten Edi und Ingelore mit ihren Kindern in Deutschland, für nur 1,7 Cent die Minute. Mit der öffentlichen Telefonzelle in Mexiko kostet uns eine Minute nach Europa über 2€. Keine Frage, wir installierten uns Skype noch am selben Tag und riefen zuhause an. Allerdings schwankte das Internetsignal auf dem Campingplatz gewaltig und je mehr Leute online waren, desto schlechter war die Verbindung. Dementsprechend beschränkte sich unser Telefongespräch auf folgende Sätze: "Mutti, kannst du mich hören?", "Mutti, ich kann dich hören, du mich aber nicht!" Kirstens Telefongespräch mit ihrer Oma bestand aus 20 Mal neu einwählen, nach gerade einmal 30 Sekunden Verbindungen. Aber es war trotzdem schön, mal wieder die Stimmen von zuhause zu hören!

Am ersten Weihnachtstag hatten wir ein gemeinsames Abendessen mit allen Campern. Jeder brachte was mit und es war richtig lecker! Am nächsten Tag machten wir bei Debbie und Dewey zusammen mit Mike und Joan (bei denen hatte das gestrige Weihnachtsessen stattgefunden) ein Resteessen. Von unserem Kartoffel- und Nudelsalat war nicht viel übrig geblieben und wir brachten stattdessen einen Käsekuchen mit. Ein lustiger Abend!

Die Tage bis zum Sylvesterabend plätscherten so dahin. Wir spielten "Such´s Bällchen" mit Moritz. Sein Lieblingsspiel! Er konnte es kaum erwarten, dass wir den Ball warfen und sprang schon immer bellend an uns hoch. Wir schmissen so weit wie wir konnten, der Ball tippte zweimal auf und Moritz schnappte sich das Teil. An dieser Stelle begann für Moritz eigentlich erst das Spiel, denn er wollte den Ball nicht mehr rausrücken. Er liebte es, wenn man ihm hinterher rannte und streckte den Hals in alle Richtungen, wenn man versuchte ihm den Ball aus dem Maul zu reißen.

Max - ein echt süßer Terrier - war natürlich entsprechend eifersüchtig und knurrte was das Zeug hielt. Das mit dem Knurren hatte er drauf! Kein anderer Hund wagte sich in die Nähe von Edi und Jochens Wohnmobil und der "Tamales"-Junge versuchte auch nur ein einziges Mal morgens um 7 Uhr seine Tamales bei den beiden zu verkaufen. Bei uns dagegen hämmerte er fast jeden morgen die Tür ein. Leider half Helens Knurren hier gar nichts und wir klebten stattdessen einen Zettel an die Tür mit der Aufschrift "No Tamales! No molesta!" (Keine Tamales! Keine Belästigung!). Aber wir hatten unsere Zweifel, ob er überhaupt lesen konnte.

Eines Abends hatten wir vor der Dusche einen Trampelpfad von Blattschneideameisen. Tausende liefen direkt vor der Tür vorbei und machten innerhalb einer Nacht einen ganzen Baum kahl. Die Ameisen waren bis zu einem Zentimeter groß!

Andrew war begeistert von Helen. Weniger wegen ihr hervorragenden Quietschlaute, als viel mehr wegen ihrer Pünktlichkeit. Im Gegensatz zu den Mexikanischen Kindern, die Andrew sonst in Álamos unterrichtet, kommt Helen nicht nur am richtigen Tag, sondern auch um Punkt 10 Uhr und nicht 2 Stunden später beim Unterricht an. Helen musste täglich eine Stunde üben und tat das bei schlechtem Wetter im Wohnmobil. Das Problem war, dass sie mit dem Bogen immer gegen die Klimaanlage haute. Aber sie wurde von Tag zu Tag besser, sogar Kirsten konnte das Üben ertragen. Allerdings musste sie sich bei den E-Seiten Übungen die Ohren zuhalten. Da tun einem die Zähne weh! Helens G-String dagegen mochte sie sehr!

Den Sylvesterabend verbrachten wir am Lagerfeuer bei Edi und Jochen. Ein weiteres Deutsches Ehepaar - Michael und Manuela mit ihrer Tochter und dem Hund Felia - gesellten sich zu uns. Michael brachte noch vor Mitternacht seine kleine Tochter ins Bett. Als er in sein Wohnmobil (ein weißer Sprinter) trat, lag da ein wildfremder Hund eingekuschelt auf dem Teppich und schlief. Es war bitterkalt draußen und Perris, der Hund vom Campingplatzbesitzer, hatte es sich im warmen Wohnmobil gemütlich gemacht. Michael traute sich nicht ihn anzufassen und so musste Kirsten ran. Sie versuchte Perris am Halsband aus dem Wohnmobil zu ziehen, der wollte aber nicht und stemmte die Vorderläufe in den Teppich. Dieser war zum Glück nicht befestigt und so zog Kirsten den armen Hund mit samt Teppich raus.

Kurz vor Mitternacht zählten wir laut auf Deutsch den Countdown runter - alle anderen Camper waren bereits im Tiefschlaf. Wir dagegen klönten noch bis 2 Uhr morgens!