25.6.-01.07.2007: Glacier NP
Am nächsten Tag regnete und hagelte es den ganzen Tag lang - perfekt! Wir freuten uns über den zusätzlichen Ruhetag und genossen die Stille. Am Dienstag war es dann aber wieder sonnig und wir zogen weiter. Unser erster Stopp war der Goat Lick Overlook. Hier konnte man auf steilen grauen Felswänden Bergziegen sehen, die die Mineralien aus dem Stein leckten. Allerdings benötigte man ein Fernglas für die Beobachtung - insofern gibt es auch kein vernünftiges Foto.

Am Nachmittag kamen dann zum ersten Mal unsere neuen Wanderschuhe zum Einsatz. Wir wählten die 16km lange Strecke rund um den Two Medicine Lake auf der Ostseite des Glacier National Parks. Auf der Strecke lagen die hübschen Twin Falls. Trotz der flachen Strecke bekam Helen Blasen in den neuen Schuhen und musste sich erst einmal verpflastern. Kirsten fühlte sich dagegen Pudelwohl in den neuen Tretern!

Anschließend sahen wir uns noch den Running Eagle Wasserfall an. Die Hauptmasse des Wassers schießt durch einen breiten Schlitz unterhalb der eigentlichen Felskante. Über diese läuft dann noch ein kleinerer Wasserfall und das ganze sieht aus, wie zwei hintereinander liegende Wasserfälle. Das hatten wir bis dato noch nirgendwo gesehen.

In St. Mary hüpften wir kurz vor 21 Uhr noch schnell in das dortige Visitor Center, um die genaue Zeit für den Sonnenaufgang zu erfahren. Am nächsten morgen klingelte der Wecker dann um 5 Uhr (stöhn!!!). Wir fuhren zum Upper St. Mary Lake und schauten uns die rot glühenden Berge von dort aus an. Es war schweinekalt und Helen konnte kaum die Augen offen halten. Was man nicht alles für ein Foto tut ...

Wir waren fast die einzigen im Park zu dieser Zeit und fuhren weiter auf der Going-To-The-Sun-Road, machten kurze Stopps am Sun Point und dem Sun Rift Gorge bevor wir uns am Jackson Glacier Overlook auf den leeren Parkplatz stellten und wieder für einige Stunden ins Bett gingen - frühes Aufstehen liegt uns einfach nicht!

Zunehmender Verkehr und lautes Gequatsche von Amis weckten uns dann auf und wir zogen uns schließlich gegen Mittag wieder unsere neuen Wanderschuhe an und machten uns auf eine 11km lange Wanderung zu den St. Mary und Virginia Falls. Kirsten war gerade tief in ihre Wanderkarte vertieft, als aus dem nichts eine Frau mit ganz tiefer Stimme uns ansprach. Da Kirsten vorab keine Schritte gehört hatte, erschrak sie sich heftig und schrie laut auf. Das wiederum erschreckte Helen und die Frau und die fingen auch an zu schreien! Warum diese Panik? Der Glacier National Park ist berühmt für seine vielen Grizzly Bären und vor ein paar Tagen hatte es erst eine tödliche Attacke gegen einen 11-jährigen Jungen gegeben. Entsprechend angespannt wanderten alle hier und waren ständig auf Ausschau nach Bären. Und die tiefe Stimme der Frau klang fast wie das Brummen eines Bärs.

Am späten Nachmittag gönnten wir uns dann eine heiße Dusche beim Sun Motor Inn für 1,28 US$. Das Wasser lief genau für 8 Minuten und das reichte locker für uns beide! Frisch gestriegelt fuhren wir erneut zum Upper St. Mary Lake um den Sonnenuntergang zu beobachten - aber der kam nicht!

Am Donnerstagmorgen fuhren wir dann nach Many Glacier. Die umliegenden Berge spiegelten sich auf der noch ruhigen Wasseroberfläche des Swift Current Lakes. Kaum hatte Kirsten ihre Fotos gemacht, schipperte dann aber ein Touristenboot über den See und zerstörte die wunderschöne Spiegelung.

Wir parkten beim Many Glacier Hotel und machten bei strahlendem Sonnenschein eine 15km lange Wanderung zum Grinnell Lake. Auf der Strecke trafen wir einen jungen Mann, der gerade ein Foto von einem Grizzly gemacht hatte, der in der Hitze ein Bad im kühlen See nahm. Wir waren auf der Hut und setzten die weitere Strecke mit einem Amerikanischen Paar (Ed und Jill aus Alabama) fort. Den Grizzly sahen wir allerdings nicht mehr. Dafür lag der Grinnell Lake sehr schön eingebettet zwischen den hohen Bergen - man konnte sogar noch einen Gletscher erkennen. Seit 1860 sind die Gletscher hier im Park nämlich auf dem Rückzug und es gibt fast keine mehr. Spötter bezeichnen den Park schon als "No Glacier National Park".

Nach der Wanderung erfuhren wir in der Rangerstation, dass die Going-To-The-Sun-Road vermutlich am 1. Juli wieder komplett geöffnet sein wird. Unsere Visas für die USA liefen am 2. Juli aus und wir beschlossen auf die Öffnung zu warten. Normalerweise verlassen wir die USA nicht unbedingt am letzten Tag, aber die Besuchszeit für den Glacier National Park ist nur sehr kurz und vermutlich werden wir hier nie wieder zu einer Schneefreien Zeit herkommen. Jetzt oder nie war die Devise!

Aber das Warten war kein Problem. Der Park hat wahnsinnig viel zu bieten und man kann sehr viele und schöne Wanderungen machen. Am Freitag machten wir uns auf eine 13km lange Wanderung zum Bullhead Lake. Auf dem Weg lagen die Red Rock Falls und wir hatten sogar das Glück einen Elch im Wasser liegen zu sehen. Ihn störte das Klicken der vielen Kameras überhaupt nicht - Hauptsache sein Hinterteil lag im kühlen Wasser! Aber wo waren die Bären? Uns lief nicht ein einziger über den Weg - und alle anderen Wanderer, die wir trafen hatten schon welche gesehen. Wir waren einfach immer zu spät!

Der Himmel verdunkelte sich zum Abend hin und Kirsten hoffte auf einen spektakulären Sonnenuntergang. Dieser zeigte sich aber nicht. Stattdessen zog ein heftiger Sturm auf und wir rasten mit dem Winnie aus dem Park zu unserem kostenlosen Übernachtungsspot. Hier holte uns der Regen ein. Zum Glück hagelte es aber nicht.

Am Samstag hatten wie keine große Lust auf eine lange Wanderung, nahmen aber stattdessen an zwei sehr schönen Rangerführungen teil. Die erste war über die vielen Wildblumen im Park. Wir lernten endlich mal ein paar richtige Namen und müssen unter unsere Blumenbilder nicht ständig "Rote Wildblume" oder ähnliches schreiben. Der Ranger hatte viel Humor und die Gruppe war insgesamt sehr lustig und interessiert. Das überall verbreitete Bear Grass (Bärengras) - so lernten wir - hat einen total falschen Namen. Erstens ist es kein Gras und zweitens mögen die Bären den säuerlichen Geschmack überhaupt nicht. Die Bezeichnung stammt aber noch von den beiden Entdeckern Louis und Clark, die vor ca. 150 Jahren durch dieses Gebiet zogen.

Anschließend machten wir eine Tour durch das Many Glacier Hotel. Es wurde 1915 von der Great Northern Railway im Schweizer Stil gebaut, um Touristen in den National Park zu locken. Mehrfach über die Jahre renoviert, zeigt es sich aber auch heute noch im rustikalen Stil aus dem letzten Jahrhundert. Heute zahlt man über 100 US$ für das Zimmer pro Nacht - 1915 waren es nur 5 US$. Im Winter liegt das Hotel unter hohem Schnee und letztes Jahr wurde es im November von den Regenmassen geflutet. Der National Park Service steckt hier viele Steuergelder rein, um dieses Denkmal zu erhalten, denn die kurzen Sommermonate mit zahlenden Gästen reichen nicht aus, damit sich das Hotel von selbst trägt.

Am Sonntag sollte die Going-To-The-Sun-Road komplett geöffnet werden uns so fuhren wir noch einmal nach St. Mary zurück. Aber schon am Eingang erfuhren wir, dass es durch den Sturm von vorgestern erneut zu kleinen Schäden auf der Straße gekommen sein. Es wird rund um die Uhr an der Straße gearbeitet und man sagte uns zunächst, dass die Straße vermutlich ab 15 Uhr offen sei.

Da das Wetter erneut traumhaft schön war, beschlossen wir am Gunfight Pass eine Wanderung in Richtung Jackson Glacier zu machen. Nach 20 Minuten erreichten wir jedoch einen Fluss, über den wir ohne die Schuhe auszuziehen nicht rüber kamen. Die ehemalige Brücke war von der Flut aus dem letzten November weggerissen und nicht wieder aufgebaut worden. Da das Wasser Schmelzwasser ist und damit A...kalt, verzichteten wir auf das weitere Vergnügen und machten uns wieder auf den Rückweg.

Wir entdeckten eine reißende Wasserschneise über die ein dicker Baumstamm lag und überlegten kurz, ob wir das Risiko eingehen sollten. Aber ein falscher Schritt und das Abrutschen von Baumstamm hätte schwere Verletzungen wenn nicht sogar den Tod bedeutet. Nichts für uns!

Die vielen Mücken ließen uns einen Zacken zulegen und es ging steil den Berg hoch ... Schwitz! Wir kamen um eine kleine Biegung und ein Reh versperrte uns den Weg. Es schaute uns zunächst mit großen Augen an und kam dann neugierig näher. Helen konnte es fast streicheln!

Auf dem Parkplatz zum Gunfight Park war es inzwischen zu einem Verkehrsstau gekommen. Alles wartete auf das Öffnen der Straße, aber es passierte nichts. Die Ranger, die vor der Straßensperre standen, bekamen alle halbe Stunde über ihre Funkgeräte einen Lagebericht zu den Reparaturen an der provisorischen Brücke ... und der Öffnungszeitpunkt verspätete und verspätete sich. Die meisten Besucher drehten frustriert wieder um. Wir mussten einen Oldtimer anschieben. Beim Umdrehen auf der Straße reichte sein Wendekreis nicht aus, um an den parkenden Autos vorbei zu kommen. Da er keinen Rückwärtsgang hatte, mussten wir ihn zurückschieben. Mannomann, diese alten Autos sind ganz schön schwer!

Wir beschlossen erst einmal zurück zum Sun Motor Inn zu fahren, um dort zu dumpen und noch einmal für 1,28 US$ zu duschen. Kaum hatten wir das alles erledigt, hörten wir auf dem angrenzenden Campingplatz, dass die Straße inzwischen komplett offen war - nur eine halbe Stunde nachdem wir vom Gunfight Pass abgefahren waren. Da das unsere letzte Möglichkeit war zum Logan Pass zu kommen, fuhren wir gegen 19.50 Uhr noch einmal hoch.

Wir hielten an der provisorischen Brücke an und begutachteten den Abrutsch der Gesteinsmassen nach der Flut im November. Unten im Tal lagen die abgebrochenen Bäume und riesige Felsmassen. Die Straße war auf einer Breite von gut 30 Metern total weg gebrochen gewesen. Kein Wunder, dass die Reparaturen so lange gedauert haben!

Es war kaum Verkehr unterwegs und wir konnten Winnie ohne Probleme vor der Brücke parken, um Fotos zu schießen. Kurze Zeit später sahen wir eine ganze Gruppe von Steinböcken in den Felshängen direkt neben der Straße. Man merkte, dass sie dieses Jahr noch keine Touristen gesehen hatten, denn sie posierten geradezu für uns wenige Fotografen. Insofern hatten wir Glück mit der späten Eröffnung, denn normalerweise rasen zu dieser Jahreszeit Hunderte von Autos pro Tag über diese Bergstraße und mit wilden Tieren ist da nicht mehr sehr viel.

Wir hielten oben am Logan Pass Visitor Center an und beobachteten ein paar Skifahrer. Es ist Tradition im Montana am ersten Eröffnungstag zum Logan Pass rauf zufahren und im Juni den Tiefschnee hinunter zu rasen. Allerdings war vom Schnee am 1. Juli nicht mehr viel zu sehen. Hier und da gab es noch etwas Schneematsch und trotzdem tollten alle wie kleine Kinder darin. Wir natürlich auch - und Helen hatte mal wieder "Arse-Wiping-Time".

Anschließend fuhren wir auf der anderen Seite noch bis zur Weeping Wall runter und sahen auf dem Weg einen Schneehasen und mehrere Bergziegen mit ihren Jungen. Es wurde langsam dunkel und wir machten uns wieder auf den Weg nach St. Mary. Kirsten musste noch schnell ein paar Abendfotos am Upper St. Mary Lake schießen. Die Berge lagen in einem tollen Blau und spiegelten sich im See. Sehr schön! Es muss nicht immer ein spektakulärer Sonnenuntergang sein, oder?