30.5.-04.07.2005: Courtenay - Victoria - Vancouver - Aleutian Islands (Alaska)

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Am Montag haben wir den Winnie dann in einer kleinen Lichtung auf Kirstens Grundstück geparkt und unsere beiden Plastikplanen auf dem Dach befestigt, um möglichen Regenschaden zu vermeiden. Anschließend haben wir sämtliche Schlupflöcher für Mäuse zugeklebt, alle Lebensmittel in Tupper-Behälter verpackt und in die oberen Schränke verfrachtet. Diese Maßnahme hilft hoffentlich gegen den Besuch dieser "possierlichen" kleinen Scheißer!

Kirsten versprach uns den Winnie hin- und wieder zu lüften und nach dem Rechten zu schauen. Einen besseren Platz für die drei Monate hätten wir woanders nie gefunden und wir hatten ein sehr gutes Gefühl!

Am Nachmittag sind wir dann mir Kirsten und ihrer Tochter Kaitlin (8) auf einem Dünenbuggy buchstäblich durch den Busch gefahren. Kleine Sträucher, die im Weg standen, wurden gnadenlos überfahren - ein riesiger Spaß! Helen und Kaitlin wurden auf dem Rücksitz mehrfach von langen Ästen fast im Gesicht zerkratzt und waren überseht mit kleinen Insekten. Helen was not very amused! Auf dem Rückweg durfte Helen dann allerdings ans Steuer. Sie hatte ein paar Probleme mit der Gangschaltung (für Helen ist ja alles auf der falschen Seite), brachte uns aber sicher wieder nach Hause.

Über Nacht regnete es - unsere Planen bewehrten sich aber und alles blieb trocken. Kirsten brachte uns am nächsten morgen zur Busstation in Courtenay und wir fuhren gut fünf Stunden nach Victoria.

Vor ein paar Tagen hatten wir ein Zimmer in einem der Backpackers reserviert, beim Einchecken wollten die aber auf einmal 8 Can$ mehr für das Zimmer haben. Das junge Mädchen hätte sich verguckt, hieß es, und wir waren ein bisschen sauer. Aber es blieb uns ja nichts anderes übrig als zu zahlen. Dann mussten wir zu allem Überfluss auch noch unsere 25kg schweren Taschen über die Treppe in den 4-ten Stock schleppen. Das Zimmer war eine bessere Abstellkammer und man musste rückwärts rein, um vorwärts wieder raus zu kommen. Zum Glück war es ja nur für eine Nacht, aber auf dem Rückweg von Alaska werden wir hier bestimmt nicht bleiben. Abends sind wir dann um die Ecke noch lecker Essen gegangen.

Am Mittwoch morgen mussten wir dann schon um 5.30 Uhr aufstehen, um den Bus zum Victoria Flughafen (dieser lag einige Kilometer außerhalb der Stadt) zu bekommen. Von hier aus ging es in einem nur halbstündigen Flug nach Vancouver. Wir hatten nicht viel Zeit, um unseren Anschlussflug nach Anchorage, Alaska zu bekommen. Zu unserer Überraschung werden sämtliche Einreiseformalitäten nach Alaska bereits im Vancouver Flughafen erledigt. Die Amerikaner haben dafür extra eine eigene Halle im Flughafen und wir stellten mit Erschrecken fest, dass die Schlangen vor den Einreise-Schaltern sehr lang waren. Außerdem hat man uns verwirrende Aussagen zu unserem Gepäck gegeben. Erst hieß es in Victoria, dass unser Gepäck bis nach Anchorage durchgebucht ist und wir es in Vancouver nicht vom Band nehmen müssen. Über Bordfunk hieß es dann aber, dass wir doch das Gepäck in Vancouver identifizieren müssen. Wir konnten es auf dem Laufband aber nicht entdecken und warteten und warteten. Dann kam eine Lautsprecheransage durch, die sagte, dass wir erst durch die US-Einreisebehörde durch müssen und dann das Gepäck identifizieren sollen. Mann, war das alles kompliziert und wir waren nicht die einzigen, die das Prozedere nicht verstanden.

Außerdem rannte uns die Zeit davon. Der Einreise-Beamte nahm sich dann auch noch geschlagene 20 Minuten Zeit, um uns zu interviewen, Finger Abdrücke zu nehmen und mit einer Tennisball-großen Kamera ein Foto unseres Gesichtes zu schießen. Anschließend erklärte er uns, dass er uns eigentlich die Einreise nach Alaska verweigern müsste, da wir nur für eine Woche aus den USA raus sind. Normalerweise müssen mindestens 4-6 Wochen zwischen der Ausreise und Wiedereinreise liegen. Zum Glück sah er aber an den vielen US-, Kanada- und Mexiko-Stempeln, dass wir in den letzten 20 Monaten ständig zwischen diesen 3 Ländern hin und her gereist waren und glaubte uns, dass wir 3 Monate Urlaub in Alaska machen wollten. Schließlich kann man Alaska am besten nur zu dieser Jahreszeit bereisen. Wir bekamen unsere Einreisestempel und atmeten erleichtert auf. Puuhhhh!!

Anschließend nahmen wir unser Gepäck von einem Band und schmissen es 20 Meter weiter auf ein anderes Band. Kein Mensch hat uns dabei kontrolliert und wir fragten uns erneut, was dieser Scheiß soll. Wir erreichten unser Gate gerade noch rechtzeitig zum Boarding.

Der Flug nach Anchorage dauerte 3,5 Stunden. Zu unserem Entsetzen gab es kein Essen. Für kleinere Snacks wie z.B. eine Dose Thunfisch mit 5 Salzcrackers musste man 5 Dollar zahlen. Wir fanden das bei einem Flugpreis von über 900 Can$ eine absolute Frechheit. Außerdem hatten wir seit 6.30 Uhr nichts mehr gegessen und uns hing der Magen in den Kniekehlen. Zum Glück hatten wir aber ein paar Mars und Snickers im Handgepäck - nicht wirklich die beste Nahrung aber es half gegen den enormen Zuckerabfall.

Ansonsten war der Flug aber sehr schön. Wir hatten einen tollen Blick auf die Schnee- und Eisbedeckten Berge. Alaska hat über 3000 Gletscher und der Großteil dieses riesigen US-Staates ist für Menschen entweder nicht erreichbar oder muss mit dem Flugzeug angeflogen werden.

In Anchorage hatten wir dann 4 Stunden Aufenthalt, bevor es mit dem nächsten Flieger südlich auf die Aleutian Islands weiter ging. Helen stellte mit Erschrecken fest, dass die Zigaretten am Flughafen mit 7 US$ pro Paket mal eben 3-mal so teuer waren, wie z.B. in Oregon. Wir nahmen deshalb den Bus und fuhren erst einmal zum nächsten Burger King. Wenn der Hunger am größten ist, dann muss einfach Fastfood her! Helen konnte dann noch Zigaretten auf einer Tankstelle für 5,40 US$ pro Paket kaufen, bevor wir wieder zum Flughafen zurückfuhren.

Unser letzter Flug an diesem Tag dauerte dann nur noch gut 1,5 Stunden und wir wurden abends um 20 Uhr dann netterweise vom Flughafen abgeholt und zur Salmon Lodge gebracht. Für die nächsten drei Monate sollte sie nun unser Zuhause sein.

Unser erster Eindruck war sehr gut. Man hatte sogar mit dem Abendessen auf uns gewartet und die Stimmung am ersten Abend war gleich sehr entspannt und lustig. Ehe wir uns versahen, war es fast 1 Uhr morgens, als wir endlich nach diesem langen Tag ins Bett gingen und draußen war es immer noch hell! Auf Vancouver Island war es abends um 22 Uhr schon stockdunkel, aber wir waren hier auf den Aleutian Islands wesentlich weiter westlich und viel weiter nördlich. Die Sonne ging extrem spät in der Nacht unter und es wurde zu dieser Jahreszeit nicht wirklich dunkel. Daran mussten wir uns erst einmal gewöhnen. Unser Zimmer lag im Untergeschoss direkt neben dem Schlafzimmer der Besitzerin der Lodge. Bis auf Alex waren alle anderen Mitarbeiter im Haupthaus untergebracht, morgens gab es dementsprechend eine kleine Warteschlange für das Badezimmer.

Die Lodge hat neben dem Räucherhaus, sechs Gästehütten und ein Küchenhaus für die Gäste. Außerdem gab es draußen drei Badezimmer mit Toilette und Duschen für die Gäste, einen Geräteschuppen und ein Warenlager. Die meisten Angelgäste kommen aus Deutschland und Österreich, verbringen aber ihre gesamte Zeit auf zwei Hausbooten. Direkt nach ihrer Ankunft in Alaska werden sie mit einem Wasserflugzeug zu den Hausbooten geflogen. Nur am letzten Abend vor ihrer Rückreise nach Europa, verbringen sie eine Nacht in der Salmon Lodge und bekommen am nächsten morgen noch ein Frühstück. Uns wurde schnell klar, dass wir dieses Mal sehr wenig Kontakt zu den Gästen haben werden und von Trinkgeld war weit und breit nicht die Rede.

Unsere Hauptaufgabe war es das Haupthaus mit den 4 Schlafzimmern, zwei Bädern, dem großen Wohn- und Speiseraum und der Küche täglich sauber zu halten. Außerdem mussten sämtliche Gästehütten, die Gästeküche und die Out-door Bäder nach der langen Winterpause intensiv gereinigt werden. Kirsten verbrachte gleich drei Tage damit, sämtliche Fensterscheiben zu reinigen. Vor dem Wintereinbruch waren die Wände der Holzhütten mit einem Spray imprägniert worden, und das Zeug klebte wie Hölle an den Fensterscheiben. Mit einem einfachen Glasreiniger war es nicht getan, die Scheiben musste aufwändig mit einem Glasschaber abgekratzt werden. Besonders unangenehm war diese Arbeit, weil es draußen nur so von Mücken und beißenden Black Flies wimmelte. Ohne Moskitonetz auf dem Kopf konnte man draußen keine ruhige Minute verbringen.

Helen durfte sich gleich als Gärtnerin beweisen (keiner von uns hat wirklich grüne Finger und auch nur einen Hauch von Gefühl für Pflanzen). Stiefmütterchen, Geranien und sonstige - uns nicht bekannte Pflanzen - mussten in die diversen Bottiche und Hängekörbe eingesetzt und gewässert werden. Helen war nicht wirklich groß genug für die Hängekörbe und brachte es fertig, sich selbst anstatt die Pflanzen mit der Gießkanne zu begießen.

Außer uns gab es am Anfang noch drei weitere Beschäftigte. Alex und Uwe (beide aus Ostdeutschland) waren von Beruf professionelle Köche. Alex kocht für die Gäste auf dem Hausboot und Uwe ist für das Filetieren der Lachse zuständig. Dann war da noch Andrew, der 21-jährige Sohn vom Lebensgefährten der Besitzerin. Andrew sollte hauptsächlich in der Fischverarbeitung helfen. Neben den Angelgästen wird seit Jahren in der Lodge nämlich hauptsächlich Lachs geräuchert und verkauft. Hierfür wurde vor Kurzem eine separate Firma gegründet, die preisgekrönten Räucherlachs und Lachsbutter produziert, vermarktet und vertreibt. Die Besitzerin war justamente dabei eine große Produktionshalle und einen kleinen Verkaufsladen direkt am Fluss einzurichten. Helen sollte ursprünglich auch mit im Laden helfen, und dort eine komische Mischung aus geräuchertem Fisch, Elfenbeinschmuck, T-Shirts, Baseball-Kappen und anderes kleines Gedöns zu verkaufen. Aber der erste Andrang war so gering, dass die Tochter der Mitbesitzerin der Lachsfirma die Arbeit alleine bewältigen konnte.

Normalerweise kommt Mitte Juni der Rot- und Königslachs in riesigen Schwärmen (man erwartete bis zu 9 Millionen Fische für dieses Jahr) den Fluss raufgeschwommen, um die Eier in einem Binnensee abzulegen. Doch dieses Jahr verspätete sich das Ganze um 2 Wochen und wir hatten am Anfang alle eine relativ ruhige Zeit. Da es in der Räucherei nichts zu tun gab, konnten wir uns auf das Saubermachen konzentrieren. Zwischendrin musste auch mal 7kg frischer Dill für die Lachsbutter gezupft und geschnitten werden (hat gut 5 Stunden gedauert). Die Lachsbutter war eine neue Erfindung der Besitzerin und wurde per Hand gefertigt. Bis spät in die Nacht halfen wir beim Einspritzen in die kleinen Buttergläser, dann mussten noch kleine Etikettenschilder angebracht und das Ganze in Kartons verpackt werden.


Lachsbutter Produktion.

Bevor wir nach Alaska kamen, hieß es, dass wir 8-9 Stunden am Tag zu tun hätten und das es bestimmt auch mal den einen oder anderen freien Tag geben würde. In der ersten Woche kam das auch noch so hin und wir hatten richtig Spaß - Sonntag nachmittag hatten wir sogar mal 3 Stunden frei! Uwe nahm uns einen Abend sogar mit aufs Boot und wir konnten die Seeadler am Fluss beobachten.

Insbesondere Boomer - der 13-Jahre alte Pudel der Besitzerin - wuchs uns richtig ans Herz. Der Ärmste hatte Herzprobleme, Arthritis in den Beinen und konnte auf beiden Ohren nichts mehr hören - letzteres hatte aber auch seine Vorteile, da er das Geschrei der Besitzerin stoisch über sich ergehen lassen konnte! Er liebt sein Frauchen über alles und sie konnte wirklich keinen Schritt ohne ihn machen - nicht einmal in aller Ruhe zur Toilette gehen! Wenn sie ohne ihn irgendwo hinfahren wollte, dann mussten wir ihn immer auf den Arm nehmen, damit er nicht hinterher läuft. Anschließend hat er dann stundenlang draußen gebellt, bis sie wieder da war. Wir haben ihn ab und zu abends mit auf einen Spaziergang genommen. Die ersten dreihundert Meter musste man ihn tragen, sonst wäre er gar nicht erst mitgekommen. Kaum hatte man ihn abgesetzt, drehte er sich um und wollte gleich wieder zu Frauchen zurück. Erstaunlich, wie schnell er auf seinen Arthritis-Beinchen auf einmal laufen konnte! Wir hatten richtig Probleme hinterher zu kommen.

Die lustige und entspannte Stimmung der ersten Woche, sollte sich aber mit zunehmender Zeit ändern. Insbesondere die Spannung zwischen den Jungs sorgte für schlechte Stimmung. Andrew und sein Vater waren die einzigen in der Lodge, die kein Deutsch sprachen. Wir hätten keine Probleme damit gehabt, grundsätzlich Englisch zu sprechen, aber Alex´ und Uwes Englisch war wiederum nicht fließend genug, um eine problemlose Kommunikation zwischen allen Beteiligten zu haben. Wir bemühten uns so häufig wie möglich alles auf Englisch am Essenstisch zu besprechen, aber nach kurzer Zeit sprach dann jemand Deutsch und automatisch wurde dann wieder Deutsch gesprochen. Die Besitzerin ermahnte uns mehrfach, war aber immer selbst die erste, die irgendetwas auf Deutsch sagte.

Das Sprachproblem sorgte für ungute Stimmung zwischen Andrew und den beiden Ostdeutschen. Uwe war für die Einweisung von Andrew für die täglichen Aufgaben zuständig. Er selbst hatte aber erst vor einem Jahr mit dem Englischsprechen angefangen (mit 44 keine leichte Aufgabe und man musste echt den Hut davor ziehen, wie viel er sich in dieser Zeit selbst beigebracht hatte). Dennoch hatte er Probleme, Andrew auf Englisch Dinge zu erklären und Andrew verstand nicht immer, was Uwe wirklich von ihm wollte. Zwangsläufig machte Andrew Fehler oder musste 5-mal nachfragen. Uwe wurde genervter und genervter von dieser Situation und warf Andrew die Fehler und fehlende Motivation vor. Andrew dagegen begann mehr und mehr zu resignieren. Er konnte einfach nichts richtig machen und er fand obendrein kaum Unterstützung von seinem Vater. Dann fand Uwe noch heraus, dass Andrew mehr Geld verdient als er und das brachte das Fass zum Überlaufen. Alex und Uwe machten sich am Essenstisch mehr und mehr auf Deutsch über Andrew lustig. Der verstand zwar nicht worum es ging, bekam aber unweigerlich die Negativ-Stimmung ihm gegenüber mit. Helen hatte Mitleid mit ihm und nahm mehr und mehr Kontakt zu Andrew auf, um ihn aufzumuntern. Andrew war uns gegenüber wirklich sehr hilfsbereit, aber man merkte ihm an, wie unglücklich er in der Lodge war. Am Anfang unserer zweiten Woche, verschlief er dann gewollt oder ungewollt und kam erst um 9.30 Uhr zum Frühstück (das fand i.d.R. um 7.30 Uhr statt). Zur "Strafe" gab ihm die Besitzerin den Tag frei und das wiederum sorgte für übelste Stimmung bei Alex und Uwe (verständlich!). Am Ende der Woche musste Andrew dann "überraschend" nach Anchorage zurück. Uns war allen klar, dass er nicht wieder zur Lodge zurückkehren würde.

Für die Besitzerin war diese Situation schwierig. Es ist nicht einfach, gleichzeitig Chefin und neue Freundin des Vaters zu sein und Andrews Abreise sorgte auch für Spannungen zwischen den beiden "Frischverliebten". Die Besitzerin verlor ihren Mann vor drei Jahren durch einen Flugzeugabsturz. Man musste sie schon bewundern, wie sie mit über 60 Jahren noch die Energie für die Lodge inklusive Hausboote, den neuen Laden und die Lachsfirma aufbrachte. Aber sie machte sich das Leben leider größtenteils selbst schwer. Sie war geradezu chaotisch in ihrer Tagesplanung. Der Schreibtisch sah täglich aus, als wenn ein Wirbelsturm drübergefegt war und alles sprang und hüpfte, wenn sie, wie immer spontan, etwas wollte. Die wichtigen Sachen blieben liegen, da sie sich nur in letzter Sekunde dazu bewegen konnte, etwas zu organisieren - von Vorabplanung war keine Rede. Wir versuchten uns so gut wie möglich auf ihre Stimmungsschwankungen und spontanen Aktionen einzustellen und machten diverse Verbesserungs-vorschläge. Aber diese stießen bei ihr auf taube Ohren.

Die ersten Gäste kamen in unserer zweiten Woche, aber irgendwie war nie klar, wie viele, wer und wann sie denn kamen. Am Kühlschrank hing eine Gästeliste, die von dem Deutschen Kontaktbüro aufgestellt wurde. Wie wir aber feststellen mussten, war diese nicht mehr aktuell. Außerdem buchten Amerikaner direkt bei der Besitzerin per Telefon. Die hatte zwar alle Daten im Kopf, vergas uns aber darüber zu informieren. Konsequenterweise waren wir verwirrt, wenn auf einmal jemand zum Flughafen fuhr, um Gäste abzuholen. Zum Glück hatten wir in der ersten Woche die Gästehütten schon fertig gemacht und konnten spontan reagieren. Wir sahen uns gezwungen, uns am Computer selbst einen Belegungsplan für die Hütten zu erstellen, damit wir den Überblick behalten konnten. Die Besitzerin schüttelte nur verständnislos darüber den Kopf. Warum etwas einfach machen, wenn es doch auch kompliziert geht?!

Wir merkten mehr und mehr, dass in dieser Lodge nicht wirklich gut kommuniziert wird. Die rechte Hand wusste häufig nicht, was die linke tat und Misskommunikation sorgte für Unruhe und gereizte Stimmung. Wir hatten den Eindruck, dass man uns teilweise ganz bewusst nicht richtig informierte. So hieß es am Anfang z.B., dass jeder Mitarbeiter sich das Frühstück morgens selbst machen sollte. Das war auch die meiste Zeit der Fall. Die Jungs kochten sich mal ein Ei, Helen hatte nicht immer Lust auf Wurst- und Käseplatte zum Frühstück und kochte sich Haferschleim, Kirsten aß zwischendrin auch mal ihren selbstgebackenen Kuchen oder Bananenbrot und jeder holte sich selbst Kaffee und Tee. Wir deckten i.d.R. abends schon den Tisch und räumten anschließend wieder ab. Nie so ganz klar war jedoch, wann das Frühstück eigentlich stattfinden sollte. Die Besitzerin stand i.d.R. schon gegen 6.30 Uhr auf und kochte den ersten Kaffee. Dann verbrachte sie eine Stunde am Computer und spielte Spider Solitär. Uwe und Alex kamen so gegen 7 Uhr in die Küche, wir so gegen 7.15 Uhr und Andrew häufig erst kurz vor 8 Uhr. Problematisch für uns war aber, dass der Freund der Besitzerin der einzige Arzt im Dorf war und nachts über auf Bereitschaft war. Es passierte häufig, dass um 4 Uhr morgens das Telefon klingelte (es weckte uns jedes Mal auf) und er zum Einsatz rausmusste. Entsprechend spät kam er wieder zurück, schlief noch eine Runde und frühstückte häufig nicht vor 9 Uhr. Für uns war das ein echtes Problem, da wir eine Stunde lang Däumchen drehen mussten. Wir konnten weder die Spülmaschine einräumen, noch die Wäsche anschmeißen, noch den Staubsauger benutzen etc. Jeglicher Lärm musste für den Doc vermieden werden. Wir hatten Verständnis für ihn und es tat uns echt leid, dass er zusammen mit uns allen auf engstem Raum leben musste. Aufgrund der vielen Aktivitäten in der Lodge, bekam der Doc keine ruhige Minute, in der er sich von seinem eigenen, sehr anstrengenden Arbeitstag erholen konnte und man merkte ihm den Unmut an. Wir wurden mehrfach Zeuge von kleinen Auseinandersetzungen zwischen den "Frischverliebten" und die Situation wurde zunehmend schwieriger für alle Beteiligten.

Am Ende der zweiten Woche sollte dann auch der neue Laden eröffnet werden und Helen musste helfen, den Laden zu schruppen und einzuräumen. Außerdem kamen per Boot tonnenweise Wachskartons für den Räucherfisch und Kirsten und Uwe mussten diese in einer Schweißtreibenden Aktion auf dem Dachboden über der Produktionshalle unterbringen. Es gab mehr und mehr zu tun und zwangsläufig wurden unsere Arbeitstage länger und länger (im Schnitt 16 Stunden pro Tag).

In unserer vierten Woche kamen dann noch zwei weitere Deutsche in die Lodge, um beim Filetieren der Fische zu helfen. Das war auch gut so, den von einem Tag auf den nächsten kamen die Lachse den Fluss hoch und über 3000 Pfund Lachs mussten innerhalb von 24 Stunden verarbeitet werden. Da Andrew nicht mehr da war, musste Helen mit beim Waschen und Einschweißen der Fische in der Produktionshalle helfen. Drei Tage lang schuftete sie zusammen mit Uwe und Detlef. Um ihre Kleidung vor dem Blut und Gestank der Fische zu schützen, zog sie einen feuerroten Overall und Gummistiefel (Größe 43!!!) an. Sie sah aus, wie das "Ferrari-Boxenluder" und hatte zu ihrer eigenen Überraschung richtig Spaß an ihrem neuen Job. Endlich mal was anderes als Klos zu schruppen!

Kirsten hatte nicht minder zu tun, denn das tägliche Putzen in der Lodge lag nun alleine auf ihren Schultern. Leider war sie nun auch alleine den Launen der Besitzerin ausgeliefert (auch ein Grund für Helen den neuen Job zu mögen). Mit dem Stress der Fischverarbeitung wurde die Besitzerin zunehmend hektischer, noch chaotischer und gereizter. Sie rauchte ununterbrochen ihre Zigaretten (mindestens 4 Packungen pro Tag) und ihr Raucherhusten hörte sich grausam an (zum Abgewöhnen!!). Mehrfach hatte sie starke Herzschmerzen und man musste sich ernsthaft Sorgen machen.

Jetzt wo der Fisch da war, bekamen wir mal wieder zu spüren, dass in Fishing-Lodges die Arbeit einer Frau absolut nichts zählt. Täglich mussten wir Sätze hören wie: "Für meine JUNGS koche ich nur das beste" (die Besitzerin war selbst mal eine professionelle Köchin), "JUNGS, möchtet ihr noch dieses oder jenes?" (wir wurden nur mit dem Hintern angeguckt und nie gefragt!), "Meine JUNGS sind einfach die besten!" (wir bekamen nie ein positives Feedback) usw. Die Härte war, als Helen mit den Jungs den ganzen Tag in der Fischfabrik stand. Die Besitzerin kam mittags vorbei und brachte ihren JUNGS zwei Hamburger mit Pommes für den unschlagbaren Preis von 13 US$ pro Stück (hier versucht jeder in den 6 Wochen Lachssaison so viel Geld wie möglich zu machen!). Helen hatte sie total vergessen!!! Kirsten ist dann abends noch bei der Produktionshalle vorbeigefahren und hat nicht nur für alle Abendessen mitgebracht, sondern auch gleich noch 2,5 Stunden beim Einschweißen geholfen. Wir mussten uns auch mal wieder Sprüche anhören, wie "Wäschewaschen ist keine Arbeit! Das macht doch die Waschmaschine, oder?" - das wir jeden Tag 5 Wäscheladungen inklusive Bügeln (darunter viel Bettwäsche) machen mussten, wurde natürlich nicht gesehen.

Wir versuchten gute Miene zum bösen Spiel zu machen (vieles erinnerte doch an das letzte Jahr in der anderen Fishing-Lodge und ging mächtig auf die Nerven) und es gab zwischendrin auch immer mal wieder lustige Momente. So fragte Kirsten z.B. - völlig unschuldig - Detlef, ob er was "von Vögeln versteht". Wir waren gerade dabei ein Vogelnest zu beobachten. Uwe und Helen fielen spontan vor Lachen vom Stuhl. Der arme Detlef lief rot an und Kirsten versuchte die Situation zu retten ... ähhhemmmm!

Am 4. Juli - dem Unabhängigkeitstag der Amerikaner - kam es dann wie es kommen musste. Wie immer kamen wir um ca. 7.15 Uhr zum Frühstück hoch und ehe wir uns versahen, fand ein verbales Feuerwerk um uns herum statt. Uwe hatte scheinbar mal wieder schlechte Laune und ließ die geballt an uns aus. Er warf uns schlampiges Arbeiten vor und wieso wir sein Frühstück heute nicht gemacht hätten? Außerdem war sein Bett nicht gemacht worden (von Anfang an machte jeder Mitarbeiter sein Bett selbst, warum das heute auf einmal anders sein sollte, wussten wir nicht). Wir wären doch wohl für den Service in der Lodge zuständig und hätten das nach 5 Wochen doch endlich mal kapieren müssen. Ein Wort gab das andere und die Besitzerin mischte sich dann auch noch in diese unsägliche Situation ein. Wir schauten uns nur kurz an - eine verbale Kommunikation zwischen uns war nicht nötig - und wir packten ganz spontan unsere Sachen. Normalerweise ist es nicht unsere Art in einer Situation, wo es viel zu tun gibt, einfach zu gehen, aber wir hatten einfach nicht den Nerv und die Lust uns dieses Theater (und wir kannten das ja schon ausführlich vom letzten Jahr) noch weitere 8 Wochen lang anzuschauen. Das war uns die Sache nicht Wert. Kirsten musste sich dann von der Besitzerin noch anhören, dass sie im Gegensatz zu Helen faul war. Nur weil Helen drei Tage lang in der Fischverarbeitung geholfen hatte ...

Innerhalb von 15 Minuten waren unsere Taschen gepackt und mit einem Taxi ging es zum Flughafen. Das einzig traurige war der Abschied von Boomer. Den kleinen Kerl hatten wir richtig lieb gewonnen.

Am Flughafen hatten wir dann keine Probleme unsere Tickets nach Anchorage auf diesen Tag zu ändern. In den zwei Stunden, die wir warten mussten, riefen wir noch ein paar Leute an, die wir durch unsere Arbeit in der Lodge kennen gelernt hatten. Wir erklärten ihnen die Situation und verabschiedeten uns. Alle hatten komplettes Verständnis für unsere Entscheidung - eine war sogar überrascht, dass wir es überhaupt so lange ausgehalten haben. Na ja, mal wieder um eine Erfahrung reicher (leider hat es sich dieses Mal nicht einmal finanziell gelohnt) stiegen wir letztendlich erleichtert in den Flieger nach Anchorage. Lustigerweise fanden wir in der Bordzeitung Artikel zum Thema "Wie behalte ich gute Mitarbeiter" und "Wie kündige ich auf eine nette Art und Weise".