Von Ciudad Obregon ging es über Mexico City und Amsterdam nach Hamburg. Dort kam ich am nächsten Tag dann pünktlich um 17.40 Uhr an und Mutti und Papi
holten mich ab. Das Wetter in Hamburg war mit 29°C wärmer als in Mexiko und noch dazu sehr schwül. Und ich hatte mich doch schon so auf kühleres Wetter gefreut!
Es ist kaum zu glauben, dass schon wieder zwei Jahre seit dem letzten Besuch vergangen waren. Die ersten Tage galten natürlich erst einmal der Familie. Meine Neffen und
Nichten sind alle inzwischen einen Kopf größer und außer bei Ole (5) sind kaum noch Milchzähne vorhanden. Anna und Torben haben mit 9 Jahren schon Schuhgröße 38, ich mal gerade
39-40.
Mutti hatte sich extra für mich Urlaub genommen und wir genossen die Zeit mit Erdbeerpflücken und Quatschen. Das letzte Mal habe ich ja noch Erdbeeren verkauft, um mein Fluggeld wieder
rein zu bekommen, aber dieses Mal waren die 4 Wochen einfach zu kurz, um nebenbei noch zu arbeiten. Die Erdbeeren waren ohne Frage ein echter Genuss. Meine Lieblingsfrucht und in Deutschland
sind die einfach spitze. Die amerikanischen Erdbeeren sind genetisch so gezüchtet, dass sie 4 Wochen lang im Kühlschrank halten, toll aussehen aber absolut nach gar nichts schmecken.
Endlich konnte ich auch mal wieder Spitzkohl und Nürnberger Bratwürste vom Aldi essen und zu meiner eigenen Überraschung mochte ich auf einmal auch frischen Spargel. Mutti ist eben eine
super Köchin und verwöhnte mich nach Strich und Faden.
Das Internet bei meinen Eltern ist allerdings zu langsam und so bin ich fast jeden Morgen schnell zu Ralf (mein Bruder) gefahren, um dort die schnelle DSL-Leitung zu nutzen. Ralf war mit seiner
Familie für ein langes Wochenende nach Nordstrand gefahren und ich musste die beiden Katzen füttern. Rufus - ein süßer Zimttiger - war noch nicht mal ein Jahr alt und kam immer trampelnd die
Treppen runter, wenn ich durch die Haustür kam. Da Ralf und Mareike in der Regel zwischen 4 und 5 Uhr morgens aufstehen, war Rufus natürlich in den ersten beiden Tagen am verhungern, denn vor 9.30 Uhr war
ich nie da. Während ich die Dosen öffnete, schnurrte er laut zwischen meinen Beinen und konnte es gar nicht erwarten, bis ich den Löffel beiseite legte. Georgie - ein alter grauer Tiger - war
hingegen am ersten Tag nicht zu sehen und ich machte mir schon Sorgen. Vor 2 Jahren hatten wir das Drama, das er sich in der Garage kurz vor Ralfs Abfahrt in den Urlaub versteckte und dort tagelang unentdeckt
eingeschlossen war. Aber er tauchte dann zum Glück am späten Abend draußen auf der Fußmatte auf.
Die Katzen gewöhnten sich schnell an den neuen Rhythmus und Rufus verschlief sogar sein erstes Frühstück, nachdem Ralf und Mareike wieder da waren.
Ole, Anna und Torben kamen immer so gegen 13 Uhr aus der
Schule und dem Kindergarten und kamen als erstes runter zu mir in den Keller, um Fotos und Videos von unserer Reise zu gucken. Ich kam aus dem Erzählen gar nicht mehr raus. Sie sind jetzt in dem Alter, wo sie richtig
verstehen, was Helen und ich so machen und hören begeistert zu. Anna konnte sich gar nicht wieder einkriegen und meinte immer nur "Oh, ihr seid so glücklich, dass ihr das alles sehen könnt!". Sie wäre am liebsten
mit mir zurückgeflogen.
Ole wollte unbedingt alles über unseren Besuch im Kennedy Space Center wissen. Er möchte mal Astronaut werden und die Außerirdischen in Roswell waren sein zweites Lieblingsthema. Unvergessen wird für mich bleiben, wie ich ihm auf
dem Weg zum Erdbeerhof die neue Weltraumtoilette für die Space Station erklärt habe. Ich hatte einen Tag vorher eine Dokumentation dazu auf N24 gesehen und wusste zum Glück gut Bescheid. Noch am selben Abend erklärte er seinen
verdutzten Eltern beim Abendbrot wie die Astronauten da oben "kacken" - sein Wort ... nicht meins! Ich bekam am nächsten Tag einen entsprechenden Anruf von Ralf. Wozu sind Tanten da, wenn nicht für die wichtigen Dinge im Leben?
Am Samstag, den 7. Juni hatte dann meine Schwägerin Sabine Geburtstag und lud zu Kaffee und Kuchen ein. Mein Bruder Göran war sichtlich im Stress und kaum ansprechbar. Am nächsten Tag sollte das erste Spiel der Deutschen bei der EM sein
und er hatte uns eingeladen das Spiel über Beamer groß auf der Wohnzimmerwand anzuschauen. Der Beamer war vor 2 Jahren das letzte Mal zur WM benutzt worden und nichts funktionierte. Göran war entsprechend frustriert
und bat mich doch mal einen Kennerblick zu werfen. Leichter gesagt, als getan, denn der Fernseher war mit dem DVD-Player verbunden, dieser mit dem Videorekorder und dazwischen war irgendwo noch ein Tuner geschaltet. Mit anderen
Worten Kabel über Kabel und wo musste nun der Beamer ran? Wir probierten alles, aber nichts funktionierte. Zum Glück gab es zwischendrin Sabines leckere Erdbeertorte und das sorgte wenigstens für einen erhöhten Zuckerspiegel. Ich hatte dann die
Idee einfach am nächsten Tag meinen Rechner mit der TV-Karte mitzubringen. Was für eine TV-Karte, fragte Göran. Er hatte noch nichts von DVB-T (digitales Fernsehen) gehört und fuhr anschließend prompt zu Media Markt und holte einen Adapter.
Nachdem alle anderen Gäste bereits wieder nach Hause gefahren waren, installierten wir die Software und den TV-Adapter erfolgreich und schlossen anschließend den Beamer an den PC. Wer nun glaubte, dass Problem sei gelöst, sah sich getäuscht. Normalerweise
muss man beim PC die F5 Taste drücken, damit der Desktop auf den Beamer übertragen wird, aber nicht bei Görans Rechner. Alles was wir sahen, war ein blauer Hintergrund. Stundenlang wurschtelten wir in den Systemerweiterung rum und das Ergebnis war immer das
gleiche. Bis ich aus Versehen die Maus aus dem Desktop heraus bewegte und sie auf der Wohnzimmerwand zu sehen war. Kilian entdeckte das zuerst, denn seit Stunden starrte er gebannt auf die Wand. Aha! Es dauerte nicht lange und wir fanden mit der rechten Maustaste
die richtige Einstellung. Hurra ... das Bild war da! Kilian, Göran und ich machten einen Freudentanz - geradezu, als wenn wir gerade Europameister geworden waren. Der Fußballabend war gerettet!
Göran hatte bei www.kicker.de eine Tipprunde eingerichtet und ich hatte Helen und mich natürlich dafür angemeldet. Man musste einen Spitznamen eintragen und ich hatte Helen unter "nocominghome". Kilian fand das lustig und wir unterhielten uns über die Spitznamen.
Ich fand Görans witzig und erwähnte den und Kilian sagte spontan "Oh, wenn der so heißt, dann ist blablabla sein Passwort." Ich scherzte "Na, super, dann können wir ja seiner Ergebnisse ändern." Kilian war sofort Feuer und Flamme und ich kam aus dem Scherz nicht mehr
raus. Wir heckten aus, dass ich Görans Ergebnis Deutschland - Polen auf 0:10 ändere.
Am nächsten morgen ging ich ins Internet und musste dann aber feststellen, dass das Passwort leider nicht stimmte. Kilian war am Abend richtig enttäuscht darüber, meinte aber, erfindet das richtige noch heraus.
Mutti und Papi holten Oma zum Fußballgucken ab. Etwas mühsam kam sie die Treppe zu Görans Wohnung hoch, freute sich aber riesig, dass wir alle zusammen in großer Familie das erste Deutsche Spiel anschauten. Deutschland hatte einen recht guten Auftakt und
gewann verdient mit 2:0.
Ach ja, ich hatte in Gedenken an meine Süße ihr England-Trikot von der WM angezogen und Göran und ich trugen eine schwarze Trauerbinde am Ärmel. Ist schon komisch so ohne Helen. Man kennt uns ja nur noch zu zweit und insbesondere die Kinder vermissten Helen sehr. Ole brachte mich
fast zum Weinen, als er mich fragte, wann ich denn das nächste Mal wieder komme und ob Helen dann auch wieder mit dabei ist. Schnief! Zum Glück gibt es ja Skype und die Videoübertragung.
Die EM-Stimmung in Deutschland war mindestens so gut wie zur WM im eigenen Lande. Überall sah man wieder die Flaggen an den Autos und aus den Fenstern hängen. Der Trend ging eindeutig zur Zweitflagge. Tausende von Türken, Russen, Kroaten, Griechen, Spanier und Portugiesen hatten in Hamburg beide
Landesflaggen an ihren Autos und die Stimmung unter den Fans war durchgehend friedlich und fröhlich.
Auf dem Heiligen Geistfeld war wieder Public Viewing mit großer Leinwand, Fressbuden und Sportaktivitäten. Mutti, Papa und ich sind zum Kroatienspiel der Deutschen dort hingegangen. Das Spiel begann um 18 Uhr, aber die Einlasstore wurden erst um 16 Uhr geöffnet. Viel zu spät, um 40.000 Hamburger Fußballfans
durch die strickten Kontrollen zu bringen. Wir standen über eine Stunde im dichten Gedränge vor den Toren - zum Glück blieben aber alle Fans fröhlich und gelassen. Die Sicherheitsleute waren eine echte Katastrophe. Es durften keine Plastikflaschen mit rein genommen werden
(vor 2 Jahren war das zur WM noch möglich), massenhaft Schirme landeten in den großen Müllcontainern (Warum? Mit den Fanfahnen konnte man viel eher jemandem das Auge ausstechen) und ich hätte fast meine Kameras nicht mit rein nehmen dürfen.
Mutti war wie immer cool. Auf der Familientribüne gab es noch viele freie Sitzplätze. Eigentlich waren die eher für Familien mit Kleinkindern gedacht, aber Mutti hatte keine Lust im Gedränge zu stehen und meinte nur "Wir sind eine Familie, also dürfen wir da auch rauf!". Gesagt, getan ... sie ging zum Ordner und sagte
"Ich bin mit meinem Mann und meiner Tochter da." und bekam ohne Probleme einen Stempel aufs Handgelenk. Der Ordner schaute natürlich schon ein bisschen komisch als die über 40-jährige Tochter vor ihm stand, aber wir kamen alle durch. Typisch Mutti - quadratisch, praktisch, gut!
Die Stimmung war gigantisch. Vor dem Spiel, in der Halbzeitpause und nach dem Spiel schallten die EM-Songs laut durchs weite Rund und alle sangen lauthals mit. Ich bin immer wieder ergriffen, wenn so viele die Nationalhymne singen. Ist für uns Deutsche ja lange nicht üblich gewesen, aber seit der WM können alle den Text und
singen lauthals mit.
Leider war das Spiel gegen die Kroaten aus Deutscher Sicht eine Katastrophe. Wir verloren mit 1:2, Schweini bekam am Ende noch die rote Karte und wir mussten nun gegen Österreich um den Einzug in die nächste Runde bangen. Ein Unentschieden reichte, aber Österreich war eines der beiden Ausrichterländer und die waren natürlich besonders motiviert.
Das Wort "Cordoba" war vor dem Spiel wieder in aller Munde. "I werd narrrrisch!"
Als ich Sonntag nach Hause kam, ließ Papa von Kilian ausrichten das Görans Passwort "Blablabla" sei. Ich wüsste schon Bescheid. Ich hatte inzwischen völlig vergessen, dass wir Göran einen Streich spielen wollten und musste mich über Kilians Anruf totlachen. Der junge Mann hat es faustdick hinter den Ohren und tatsächlich, dieses Mal stimmte das Passwort und ich tippte für Göran ein 10:0 für Österreich gegen Deutschland.
Göran hatte im Rahlstedter Schweinske einen großen Tisch gebucht und wir hatten alle ein ungutes Gefühl. Deutschland war in der vermeintlich schwächsten Gruppe, hatte aber bei den letzten beiden EMs nicht mal das Viertelfinale erreicht. Man sah den Spielern schon nach Sekunden an, dass sie einen Ködel in der Hose hatten. Eine ganz schwache erste
Halbzeit und deutliche Vorteile für die Öschis. Kilian und ich befürchteten schon, dass Göran durch unsere Ergebnisänderung der Einzige mit Wettpunkten für dieses Spiel sein wird. Die einzig aufregende Szene war der Platzverweis von Jogi Löw und dem Österreichischen Trainer - ein Novum in der Fußballgeschichte. Die zweite Hälfte war auch nicht besser, aber Michael Ballack rettete uns mit einem Hammerfreistoß das 1:0. Als Gruppenzweiter mussten wir nun gegen
die super spielenden Portugiesen im Viertelfinale antreten.
Am nächsten Nachmittag richtete mir mein Vater einen "schönen Gruß" von Göran aus. Er fand es gar nicht so lustig, dass Kilian und ich ihm nach dem Spiel nicht von unserem "Verrat" erzählt hatten. Nachdem er am nächsten morgen das 10:0 in seiner Wettliste entdeckte, schickte er gleich eine bitterböse Mail an Kicker.de und beschwerte sich. Als Tipp-Manager fühlte er sich für unsere ganze Tippgemeinschaft verantwortlich und manche Mitspieler nahmen das ganze sehr ernst. Ihm war vor ein paar Tagen schon
aufgefallen, dass bei mehrfachem Einloggen auf der gleichen Browserseite (Göran gab die Tipps seiner ganzen Familie hintereinander mit verschiedenen Login-Daten ein) immer das Ergebnis des vorherigen Einloggens bei der nächsten Person auftauchte. Entsprechend sauer war er auf Kicker.de und das 10:0 brachte das Fass zum Überlaufen. Die schickten eine freche Mail zurück und Göran machte seiner schlechten Laune am Abendbrotstisch Luft. Kilian gestand dann kleinlaut, dass er und Tante Kirsten für das 10:0 verantwortlich waren. Sabine, die an diesem
Tag geschäftlich in London war, musste sich totlachen und schließlich konnte auch Göran über seinen Sohn und die böse Tante Kirsten lachen. Er hatte sich schon immer gewundert, warum Kilian ihm beim Eingeben der Tipps über die Schulter guckte.
Mutti und ich fuhren zusammen mit Dörte und Heiko zum Portugal-Spiel erneut aufs Heilige Geistfeld. Das Wetter war auf Deutsch "Scheiße"! Es waren Gewitter für den Abend angesagt und Papa wollte deshalb nicht mit. Mutti nahm vorsichtshalber trotzdem ihre Sonnenbrille mit. Letztes Mal waren rund um das Heiligen Geistfeld auch graue Wolken, wir saßen aber im strahlenden Sonnenschein.
Papa fuhr uns zu Heiko und der nahm uns mit zum Heiligen Geistfeld. Wir waren frühzeitig da und Heiko fand einen Parkplatz direkt am Gelände. Dörte sollte später direkt von der Arbeit kommen.
Und tatsächlich, kaum waren wir da, klarte der Himmel auf. Und Mutti brachte erneut "ihre Familie" (dieses Mal war Heiko der Sohn) auf die Familientribüne. Die Sitze waren klitschnass und wir setzten uns auf meinen Regencape und die Klatschpappen. Und Mutti musste doch tatsächlich die Sonnenbrille rausholen!
Dörte kam eine dreiviertel Stunde vor Spielbeginn und wir beide zogen los, um was zu essen zu holen.
Gar nicht so einfach bei den vielen Menschenmassen. Wir waren gerade dabei zu beraten, was wir denn nun essen, da stürmte ein bulliger Verkäufer an uns vorbei und nahm einen jungen Mann in den Schwitzkasten. Dieser hatte sich einfach ohne zu bezahlen einen Maiskolben geklaut. Dörte und ich sahen nur, wie dem jungen Mann einzeln die Maiskörner aus dem Mund fielen - er war kurz
vorm Ersticken und scheinbar angetrunken. Der Verkäufer ließ ihn erst los, als er den Maiskolben bezahlte. Mir war anschließend ganz schlecht. Ich kann es nicht ertragen, wenn jemand keine Luft bekommt. Ich habe ein paar Mal in meinem Leben hyperventiliert und kenne die Erstickungsangst.
Die Pommes lagen mir anschließend dann auch schwer im Magen und wenn das Spiel Deutschland gegen Portugal nicht so aufregend und spannend gewesen wäre, dann hätte ich sicherlich gekotzt.
Was für ein Spiel! Nach der schlechten Vorrunde der Deutschen und der super guten für Portugal, war klar, wer der eindeutige Favorit für dieses Spiel war ... und ganz ehrlich ... ich habe 3:1 für Portugal getippt. Jogi saß im Glaskasten und das schien die Deutsche Mannschaft zu motivieren. Man rannte für den verbannten Trainer und wir trauten unseren Augen nicht ... es stand bereits
2:0 nach nur 27 Minuten. Traumtore und Schweini war in Bestform. Angie hatte sich Schweini nach der roten Karte zur mütterlichen Brust genommen und der Bub tat, was Mammi sagte. Er spielte einfach wieder so wie zur WM! Und endlich traf auch Klose! Die Portugiesen kamen noch vor der Halbzeit zu einem Tor, aber die Stimmung am Heiligen Geistfeld war riesig.
In der Halbzeit regnete es dann ein bisschen und in der Entfernung sah man ein paar Blitze, aber der Wettergott ist eindeutlich Fußballfan und schenkte uns eine trockene zweite Halbzeit. Am Ende gewannen wir verdient 3:2 und ich hatte nicht nur blaue Flecken an den Waden (vom Auf- und Abhüpfen gegen die Sitze), sondern auch keine Stimme mehr!
Am Wochenende war ich in Sachen Kinder unterwegs. Chiara hatte ihr Sommerkonzert am Samstag. Unglaublich, wie cool sie das macht. Sie spielt noch gar nicht mal so lange Klavier (Tante Helen ist stolz, dass Kilian und Chiara beide fleißig auf ihrem Klavier spielen) und zeigte Null Nerven bei ihrem Auftritt. Geduldig wartete sie über eine Stunde auf ihren Auftritt (So kannte ich sie gar nicht.
Normalerweise kann sie keine 5 Minuten still sitzen.) und ging dann gemächlichen Schrittes zum Klavier. Völlig gelassen blätterte sie ihre Musik auf und spielte ohne mit der Wimper zu zucken ihr Repertoire runter. Göran, Sabine und ich sind uns einig: Chiara wird eines Tages mal auf der Bühne stehen.
Am Sonntagmorgen war ich dann dazu verdonnert worden, mit Anna die 2000m beim Barsbüttler Volklauf zu laufen. 2000 Meter? Ich? Da bin ich gar nicht mehr fit genug für! Geschweige denn, dass ich Turnschuhe mithatte. Meine Wanderschuhe mussten herhalten. Zum Glück hatte Anna aber einen Tag vorher noch geübt und Mareike meinte, es wäre super, wenn ich die letzten 700m mit ihr laufen könnte. Na, das
hörte sich schon besser an. Der Start war um 9.10 Uhr. Da liege ich normalerweise noch im Tiefschlaf und das ganze ohne Frühstück ...
Natürlich wollte ich mich als Tante nicht blamieren und schaffte die 700m mit Anna. Mutti lief die letzten Meter auch noch mit und Anna kam unter 11 Minuten ins Ziel. Torben war eine Minute schneller unterwegs. Ole - unser Kleiner - war um 9 Uhr eine 100%m-Runde unter 2 Minuten gelaufen. Alle Teilnehmer bekamen eine Medaille und Urkunde. Mareike startete dann kurz nach 10 Uhr auf die 10km. Ich musste ihr auf
halber Strecke eine Dopingflasche reichen. Das Wetter war in der Zwischenzeit heiß und schwül geworden und Mareike lief mit rotem Kopf an mir und Anna vorbei. Für Mareike ist das normalerweise eine kurze Strecke. Sie macht seit ein paar Jahren Triathlon und läuft jeden morgen 5km. Keine 30 Sekunden nach Zieleinlauf war sie dann auch schon wieder mordsfit. Beneidenswert! Vielleicht sollte ich doch mal etwas
mehr Sport treiben ...
Nach den Läufen wartete alles auf die Tombola - es gab Fahrräder und andere nette Preise zu gewinnen, aber Familie Keetz ging leer aus. Dafür hatte Ole Glück am DAK-Glücksrad. Er bekam eine Taschenlampe und zwei Laufleuchtbänder. Mutti entdeckte bei der Tribüne einen unglaublich süßen Golden Retriever. Paul hier er und war nur drei Monate alt. Er spielte ausgelassen mit Anna und Ole und die Besitzerin schickte
mir einen Tag später per Email ein Foto. Dankeschön! Ole wollte Paul noch eines seiner Leuchtbänder schenken, damit die Besitzer ihn auch im Dunkeln finden, aber leider waren die drei dann schon weg. Trotzdem fand ich das total süß von meinem Neffen!
Für mich wurde die Zeit langsam knapp - nur noch eine Woche und dann geht es schon wieder zurück nach Mexiko. Ich war mit zwei leeren Taschen nach Hamburg geflogen und die Einkaufsliste war lang: Slipeinlagen, Abwaschbürsten, Zahnbürsten, Zahnpasta, Basmatireis, Nudeln, Tütensaucen etc ... und natürlich Gummibären für Helen. Madame hatte mir ebenfalls eine Liste für den Englischen Shop in Hamburg mitgegeben und
die Taschen füllten sich mehr und mehr, während sich mein Portemonnaie mehr und mehr leerte. Freunde wurden besucht, neue Brillengläser mussten her, meine Kamera wurde zur Reparatur eingeschickt und und und. Nebenbei versuchte ich an meinen Reiseprojekt weiterzuarbeiten - dazu mehr, wenn es irgendwann mal fertig wird.
Das Halbfinale gegen die Türkei haben wir dann erneut im Schweinske geguckt. Dörte und Heiko waren auch mit dabei und fühlten sich in unserem Familienkreis bestens aufgehoben. Dörte hätte am Ende des Abends am liebsten Kilian und Chiara mit nach Hause genommen. Ich kenne das Gefühl! Alle meine Neffen und Nichten sind einfach super süß!
Nach dem tollen Spiel gegen Portugal waren wir dieses Mal optimistischer und alle Wetten standen auf Deutschland. Die Türken waren aber hoch motiviert. Schon in der Vorrunde hatten sie zweimal zurückgelegen und dann buchstäblich in letzter Minute das Spiel noch gedreht. Im Viertelfinale hatte Kroatien in der 119. Minute das 1:0 geschafft und alle glaubten schon, das war es. Aber nein, die Türken schlugen
eine Minute später zurück und gewannen dann das Elfmeterschießen. Deutschland war gewarnt - die Türken beißen Gras bis zur letzten Minute.
Es ging schon schlecht los für uns. Die Türkei war am Drücken und spielte so wie Deutschland gegen Portugal. Pressing ohne Ende und sie kamen immer wieder gefährlich vors Tor. Und schossen dieses dann auch! Oh Gott, Türkei führt! Das hatten wir bei dieser EM auch noch nicht. Aber Schweini erlöste uns dann und schoss 4 Minuten später den Ausgleich. Mit ungutem Gefühl gingen wir in die Pause. Das reichte nicht!
Deutschland braucht mindestens 3 Tore mehr bis zur 75. Minute, in Anbetracht dessen, das die Türken ja auf dem letzten Drücker immer noch Tore schossen.
Es ging hin und her und auf einmal war das Bild weg! Eine Sekunde lang herrschte im Schweinske Totenstille, dann brach lautes Lachen und Geschrei aus. Wir dachten natürlich zuerst, der Beamer im Schweinske wäre kaputt gewesen, dann tauchte aber das Störungsbild vom ZDF auf und wir musste 10 Minuten lang die "Radioreportage" über uns ergehen lassen. Ein schweres Unwetter hatte in Wien zu einem Stromausfall im Sendezentrum geführt und das
bei diesem spannenden Spiel. Das ZDF reagierte relativ schnell und schaltete auf das Schweizer Fernsehen um. Wir verpassten keine Tore. Riesen Jubel beim 2:1 durch Klose und dann brachen die letzten 5 Minuten an. Und welch Wunder, die Türkei war am Drücker und schaffte doch tatsächlich in der 85. Minute den Ausgleich. Wir waren am Boden! Wir zitterten uns durch die letzten Minuten und hofften auf die Verlängerung ... und dann kam Lahm! Philipp
Knuddelmaus-Lahm schoss in der 90. Minute ein Traumtor für uns. Wir waren außer Rand und Band! FINAAALE OH OH ... FINAAALE OH OH OH OH!
Erneut behauptete sich der Spruch: Ein Fußballspiel dauert 90 Minuten und am Ende gewinnen die Deutschen!
Tja, leider nur nicht im Finale. Wir verloren es verdient mit 1:0 gegen Spanien und hätten gut und gerne 5:0 verlieren können. Deutschland schoss in 90 Minuten nur 4 Mal aufs Spanische Tor. Ebenfalls ein Rekord - wenn auch ein Minusrekord - in der Deutschen Fußballgeschichte! Natürlich waren wir am Ende traurig, aber ... hey ... diese EM war wieder einfach mal nur GEIL! Wir freuen uns schon auf die WM 2010! Hoffentlich qualifiziert sich England, denn
ohne Helen geht da gar nichts! Ich habe ihr jeden Abend die Zusammenfassung der Spiele aufgenommen, denn in Mexiko konnte sie leider gar nichts sehen.
Einen Tag später hieß es dann für mich Abschiednehmen. Erst bei Göran, Sabine, Kilian und Chiara und dann bei Ralf, Mareike, Anna und Torben. Ole, durfte am nächsten morgen mit zum Flughafen fahren. Der Abschied fiel mir schwer. Meine Neffen und Nichten waren
auch ganz traurig. Für die ist es immer eine lange Zeit, bis wir uns wieder sehen. Bei uns Erwachsenen rennt die Zeit ja viel schneller.
Ich hatte tolle 4 Wochen in Hamburg und vermisse Euch alle sehr!