01.-07.11.2004: Charleston - Beaufort - Savannah - St. Simons Island

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Wir verlassen Georgia und stoppen direkt hinter der Grenze am Welcome Center von South Carolina. Die Damen dort sind sehr nett und suchen für uns das günstigste Hotel in Charleston raus. Außerdem unterhalten wir uns über die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen. Wie immer treffen wir auf Bush-Gegner. Alle hoffen, dass er abgewählt wird, fürchten aber, dass er es doch noch einmal für vier Jahre schafft. Alle sind sehr gespannt, wie die Wahl ausgehen wird - wir auch und werden deshalb den Tag im Hotel mit Fernseher verbringen - für 35 US$.

Wir sind dann noch einmal kurz nach Georgia zurückgefahren, um beim dortigen Welcome Center (5km zurück) zu dumpen und günstigeres Benzin zu tanken - ein guter Tipp der Damen aus South Carolina. Die tanken dort auch immer!

Dann ging es weiter in Richtung Charleston. Statt Autobahn fuhren wir auf einer sehr ruhigen Landstraße - direkt an den vielen Baumwollplantagen vorbei. Durch die Umstellung auf Winterzeit wird es jetzt schon um 18.00 Uhr dunkel und wir parken mal wieder auf einem Supermarkt-Parkplatz in St. George.

Am Dienstag morgen dauerte die Fahrt nach Charleston dann nur noch eine Stunde. Unser Hotelzimmer war nicht gerade das neueste - das Bett war durchgelegen, die Wasserhähne tropften - aber was erwartet man für 35 US$? Hauptsache der Fernseher funktionierte! Wir haben uns eine Monsterpizza bestellt und dann den ganzen Tag und den größten Teil der Nacht die Berichte über die US-Wahlen verfolgt. Zwischendrin wurde am Computer gearbeitet und die Wäsche gewaschen.

Die Präsidentschaftswahlen sind doch sehr verschieden von unseren Bundestagswahlen. Je nach US-Staat bekommt der Wähler hier 3-4 DIN-A4-Seiten zum ausfüllen (viele Staaten wählen nach dem Stempelkarten-Skandal von Florida 2000 jetzt auch voll elektronisch). Man gibt nicht nur die Stimme für den Präsidenten ab, sondern wählt für seinen Wahlkreis (County) auch gleich einen neuen Sheriff, einen Staatsanwalt, einen Richter und was es nicht sonst noch alles so gibt. Außerdem wurden in 35 Staaten neue Senatoren gewählt, in 11 Staaten wurde darüber abgestimmt, ob Homosexuelle heiraten dürfen (ein vernichtendes NEIN in allen 11 Staaten!), in South Carolina durften die Wähler entscheiden, ob Alkohol jetzt auch in den Mini-Flaschen verkauft werden darf (das ist manchem hier wichtiger gewesen, als Bush oder Kerry!) und in Californien gab es ein deutliches JA für die Stammzellenforschung (Arnie hat hier gegen die Meinung von Bush die Werbetrommel gerührt, um die dortige Industrie zu unterstützen - Californien braucht dringend Geld!).

Der Wähler verbringt hier locker 5-10 Minuten in der Wahlbox! Kein Wunder, dass es überall zu langen Schlangen kam. In Ohio hat der letzte Wähler um 01.30 Uhr am nächsten morgen seine Stimme abgegeben, obwohl offiziell um 19.00 Uhr die Wahllokale geschlossen waren. Hat es das in Deutschland jemals gegeben? Durch die 3 Stunden-Zeitzonenverschiebung kamen dann nach 19.00 Uhr zeitversetzt die Ergebnisse über den Äther. Die Menschen in Californien konnten also schon vor Schließung der Wahllokale sehen, wie Bush und Kerry im Osten und Zentrum der USA abgeschnitten hatten.

In den USA wird der Präsident durch die sogenannte "Electoral college" gewählt. Pro US-Staat gibt es eine bestimmte Anzahl von Punkten - gemessen an der dortigen Anzahl der Bevölkerung. Der Präsidentschaftskandidat mit den meisten Stimmen im jeweiligen US-Staat erhält alle Punkte des Staates. Um Präsident zu werden, benötigt man mindestens 270 Punkte.

Aus diesem Grunde bereisen die Kandidaten vor der Wahl die Staaten, die viele Punkte zu vergeben haben, wie z.B. Californien, Florida und Ohio. Insbesondere die Staaten, bei denen es bei der letzten Wahl sehr knapp war (Bush hat in Florida mal gerade mit 600 Stimmen in 2000 gewonnen) sind hart umkämpft und werden mehrfach in den 6 Monaten vor der Wahl bereist. Ein anstrengender Job für beide Kandidaten und es bleibt keine Zeit, um wirkliche politische Entscheidungen zu treffen.

Die "Electoral college" ist nicht nur aus diesem Grund seit Jahren umstritten. Nicht selten in der Geschichte der USA wurde so ein Präsident gewählt, der über das ganze Land gesehen eigentlich weniger Stimmen bekommen hat, als der Gegenkandidat. Wie demokratisch ist denn das bitte?

Wir saßen bis um 4 Uhr morgens vorm Fernseher und wussten zu diesem Zeitpunkt noch nicht, wer eigentlich gewonnen hatte. In Ohio führte Bush zwar mit ca. 150.000 Stimmen, dennoch konnte Ohio aufgrund von ca. 250.000 Stimmen, die von Übersee und kurzfristig registrierten Wählern kamen, in dieser Nacht nicht entschieden werden. Für diese Stimmen sieht das Gesetz eine feste Zeit von 14 Tagen zur Überprüfung vor! Mit anderen Worten: Ohios Punkte werden erst entgültig in 14 Tagen vergeben. Ähhhh ... müssen wir jetzt wieder so lange warten wie beim letzten Mal?

In Iowa waren nachts 96% der Stimmen ausgezählt - ein sehr enges Rennen zwischen den beiden Kandidaten. Nachdem Larry King auf CNN mehrfach nach den restlichen 4% fragte (seit 1,5 Stunden hatte sich da nichts bewegt), verkündigte CNN um 2.30 Uhr, dass sich Iowa erst am nächsten Vormittag entscheiden würde, die Stimmenzettelzähler waren vor Erschöpfung ins Bett gegangen und die restlichen 4% werden dann bei Tageslicht ausgewertet. Man sah der CNN-Reporterin an, dass das eine absolute Farce war und "America was not amused"!

Ohio und Iowa waren entscheidend für den Ausgang der Präsidentschaftswahlen und hätte Kerry am nächsten Vormittag nicht seine Niederlage eingestanden, würden wir heute noch rätseln, wer die mächtigste Nation der Welt leitet.

Wir haben uns am nächsten Tag erst einmal eine Zeitung gekauft und es war interessant zu sehen, dass Kerry alle großen Städte in den USA gewonnen hatte. In der Hauptstadt Washington D.C. erhielt er sogar 90% der Stimmen! Bush holte seine Stimmen auf dem Lande, wo die Menschen noch auf "christliche Werte" setzen. Bushs Antihaltung zu Abtreibungen und Homo-Ehen spielte hier neben der Unterstützung der Truppen im Irak eine große Rolle. Wenn man sich die knapp 3000 Wahlkreise in den USA anschaut, dann sieht man ein Meer von Rot (Republikaner mit ca. 2500 gewonnenen Wahlkreisen) und nur ein wenig Blau an der West- und Ostküste (Kerry gewann nur ca. 500 Wahlkreise). Lustig fanden wir, dass einer der wenigen blauen Flecken in Texas dort ist, wo Bush seine Ranch hat. Seine Nachbarn mögen ihn wohl nicht so gerne!

Leider hat Bush in diesem Jahr nicht nur die Mehrheit der "Electoral college"-Punkte bekommen, sondern erhielt auch insgesamt 3,5 Millionen mehr Stimmen übers ganze Land gesehen, als Kerry.

Unser Kommentar: "God, save America ... and the rest of the world!!!"

Als "neutraler" Beobachter dieser Wahlen muss man sagen, dass der gesamte Ablauf im Vergleich zu anderen westlichen Staaten zu Wünschen übrig lässt und für das angeblich demokratischste Land der Welt ist das echt peinlich. In Deutschland weiß man ja zumindest um Mitternacht (Okay, bei der letzten Bundestagswahl war es auch ein bisschen später), wer Kanzler geworden ist und jede abgegebene Stimme spiegelt sich im Parlament wider.

Da wir in der Nacht zum Mittwoch nur ca. 4 Stunden Schlaf bekommen hatten, verbrachten wir den Rest des Tages am Folly Beach - einem sehr schönen und breiten Sandstrand in Charleston.

Am Donnerstag haben wir uns dann die Altstadt von Charleston angeschaut. Hier findet man noch die schönen alten Südstaaten-Villen. Die älteste Kirche - St. Michael´s Church (1761) - hat den Bürgerkrieg ohne Schaden überstanden. Ein Soldat der Südstaaten saß während des gesamten Krieges im Kirchenturm und hat die Yankees von dort aus beobachtet. Diese wiederum beschossen die Stadt mit Artillerie - verfehlten die Kirchturmspitze aber jedes Mal. Ein farbiger Historiker erzählte uns und anderen die Geschichte der Kirche und Helen durfte sogar in der Box von Gorge Washington Platz nehmen. Die Tour war eigentlich umsonst, ein Trinkgeld für den Guide wurde jedoch erwartet und wir waren die einzigen, die ihm etwas gegeben haben. Dafür hat er uns dann noch ein kleines Juwel der Kirche gezeigt - den Friedhof mit ganz alten Gräbern aus dem 18. Jahrhundert. Aus Platzmangel musste der Anbau für die Kirchenschule über einige der Gräber gebaut werden. Die Grabsteine wurden leicht versetzt und sind heute Teil der Schulwände. Auf dem gefliesten Boden weisen weiße Kacheln auf den Standort der Gräber hin. Es ist schon ein komisches Gefühl, dass man einfach so über diese Gräber läuft.

Am nächsten Tag waren wir in Beaufort. Ein sehr schöner Ort mit ganz alten Kolonialen Prachtbauten von 1700 und jünger. Besonders beeindruckend waren die gigantischen Eichenbäume mit ihren langen Ästen. Teilweise wuchsen die waagerecht und berührten die Grasnarbe. In Beaufort wurde u.a. Forrest Gump gedreht.

Am Samstag war dann wieder "Georgia on our mind". In Savannah sind wir auf den kostenlosen Busshuttle aufgesprungen, der Touristen durch die Altstadt fährt. Die Busfahrerin raste in den engen Straßen und bremste an den Ecken so stark ab, dass wir fast vom Sitz gefallen sind. Unglaublich, wie sie ohne Unfall diese engen Kurven genommen hat - teilweise fuhren die Vorder- oder Hinterreifen über die Bordsteine und es rumpelte gewaltig.

In der Altstadt von Savannah findet man in regelmäßigen Abständen kleine, rechteckige Parkanlagen, um die herum die alten Südstaaten-Villen gebaut wurden. Die gesamte Altstadt liegt im Schatten unter den enormen Eichenbäumen. Auf einer der Parkbänke am Chippewah Square saß Forrest Gump und aß seine Schokolade während er auf den nächsten Bus wartete.

Wir stiegen am Hafen aus. Dort fand ein kleines Fest statt und wir schauten eine Weile den jungen Ballettschülern bei ihrer Nussknacker Aufführung zu. Anschließend sind wir dann ganz gemütlich durch die Parkanlagen gelaufen. Am späten Nachmittag haben wir uns den ältesten von nur noch drei funktionierenden Leuchttürmen in Georgia auf Tybee Island angeschaut.

Am Sonntag brachte Helen den Amerikanern vernünftiges Deutsch bei. In einer Broschüre im Visitor Center war "Braunsweig", nach dem der Ort Brunswick benannt wurde, falsch geschrieben. Helen bestand darauf, dass beim nächsten Druck dieser Broschüre eine Korrektur erfolgt. Die Dame im Visitor Center bedankte sich höflich.

Wir sind anschließend auf die schöne St. Simons Island gefahren und haben erst einmal Fish & Chips gegessen. Auf dieser Insel haben die Reichen ihre Ferienhäuser - der Golfplatz mit seinen super gepflegten Rasenflächen und den gigantischen Eichenbäumen sah exklusiv aus. Wir haben einen Spaziergang in der Nachmittagssonne gemacht und uns anschließend noch eine der ältesten Kirchen in Amerika angeschaut. Nach dieser Kulturwoche beschlossen wir wieder in die Natur zurückzukehren.