20.-21.11.2004: Kennedy Space Center

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Andrea hat tief und fest auf unserem Gästebett geschlafen. Sie ist unser erster Gast, der darauf schlafen darf und es scheint sehr bequem zu sein. Ausschlafen war nach dem anstrengenden Flug allerdings am Samstag morgen nicht angesagt. Der Wecker klingelte um 7 Uhr und wir sind nach einer kurzen Dusche ohne Frühstück direkt zum Kennedy Space Center gefahren - dieses Mal über die kostenpflichtigen Tollroads.

Auf dem Parkplatz des Kennedy Space Centers haben wir erst einmal ausgiebig gefrühstückt - es sollte ein langer Tag werden. Zu unserer Überraschung waren wenig Besucher an diesem Tag unterwegs - schließlich war ja der Launch einer Delta 2 Rakete mit dem NASA Satelliten Swift (untersucht die Gamma-Strahlung im All) für 12.09 Uhr angesagt. Ohne Probleme kamen wir schnell durch die strengen Sicherheitskontrollen und nahmen gleich den ersten Shuttle-Bus, der über das riesige Gelände die Besucher zu den verschiedenen Attraktionen bringt.

Auf dem Weg zum Aussichtsturm für die Shuttle-Starts haben wir einen Weißkopf-Seeadler gesehen, der sich an einem Kadaver satt aß. Das Staatssymbol der Amerikaner sieht man in den USA nur noch sehr selten - die Busfahrerin freute sich sichtlich mit uns und nahm das Tempo runter, damit wir alle einen Blick auf dem Adler bekamen.

Während der Bustour läuft ein Video, dass über die verschiedenen Gebäude und Shuttle-Einrichtungen informiert. Eines der größten Gebäude der Welt ist das Vehicle Assembly Building (Montagehalle). An den Außenwänden konnte man noch deutlich die Schäden von der letzten Hurricane-Saison sehen. Es wurde in den 60-iger Jahren für die Montage der größten Rakete der Welt - die Saturn V, mit der alle Apollo-Flüge durchgeführt wurden - gebaut. Durch die riesigen Türen passt locker die Freiheitsstatur. Die Halle wurde in den 80-iger Jahren für die Shuttle-Montage umgebaut - der riesige Treibstofftank und die beiden Feststoff-Raketen werden hier zusammengesetzt. Der Orbiter (so nennt man hier das Shuttle-Flugzeug) wird an einem Kran senkrecht hochgezogen und dann mit den Raketen verbunden. Wenn das montierte Shuttle dann auf der gigantisch großen Raupen-Plattform das Gebäude verlässt, dann müssen nur noch die unteren 4 Türelemente geöffnet werden. Das Shuttle kriecht dann mit einer Höchstgeschwindigkeit von ca. 1 km/h in 7-10 Stunden über die sogenannten Crawler-Ways (Kriechwege, die aus meterdicken Schichten Gestein bestehen, um das enorme Gewicht des Shuttles zu tragen) zu einer der beiden Startrampen.

Leider sind aufgrund der Columbia-Katastrophe vor gut 2 Jahren die Shuttle-Starts auf Mai nächsten Jahres verschoben worden. Man hat inzwischen aus dieser Katastrophe gelernt - beim Start war ein Schaumstoffisolierteil, das die Verbindung Orbiter - Treibstofftank ummantelte, abgefallen und hat die linke Tragfläche des Orbiter beschädigt. Für alle zukünftigen Flüge werden diese Schaumstoffteile nun durch eine Art Heizung ersetzt, damit die kalten Treibstoffgase nicht die Kabelverbindungen zufrieren.

Wir sind an der Aussichtsplattform für die Shuttle-Starts ausgestiegen, da man uns gesagt hatte, dass wir von dort den besten Blick auf den Start der Delta 2 Rakete haben werden. Es waren noch gut 1,5 Stunden bis zum Launch, aber der Countdown lief und es bestanden gute Chancen, dass der Launch heute erfolgt. Wir sicherten uns auf der obersten Etage einen guten Platz, denn mit jeder Busladung kamen mehr Menschen und drängelten von hinten nach vorne.

Ca. eine halbe Stunde vor dem Start kam ein Kennedy S.C. Mitarbeiter und teilte uns mit, dass die Startrampe für die Delta 2 Rakete ca. 15 km entfernt auf dem unteren Teil des Cape Canaverals ist und die Rampe leider aus unserem Winkel direkt hinter einem Gebäude lag. Er zeigte mir dem Finger auf das entsprechende Gebäude und wir richteten unsere Kameras darauf aus.

20 Minuten vor dem Start wurde über die Lautsprecher auf dem Aussichtsturm der Live-Kommentar aus dem Houston-Kontrollzentrum zugeschaltet. Genial! Wir bekamen nun alles live mit und wussten, was auf uns zukommt. Der Start war bereits um weitere 10 Minuten verschoben worden. Bei "T minus 4 minutes" (Take off in 4 Minuten) wurde der Countdown planmäßig noch einmal angehalten, um zum letzten Mal alle Systeme zu checken. Nach weiteren 10 Minuten wurde der Countdown dann wieder aufgenommen. Die Spannung stieg. Der Puls auch!

Dann war es endlich so weit - die letzten 10 Sekunden riefen alle mit: 10 ... 9 ... 8 ... ... 1 ... "We have a lift off!"

Für die nächsten paar Sekunden brach dann die Panik aus. Wie gebannt starten alle auf das besagte Gebäude, den Finger auf dem Kameraauslöser, aber man sah nichts! "Wo? Where?", riefen wir. Was war geschehen? Ist das Ding explodiert oder in der Rampe stecken geblieben? Dann schrie jemand: "There!" und sein Finger zeigte auf ein anderes Gebäude, dass viel weiter rechts lag. Der Idiot vom Kennedy SC hatte uns allen das falsche Gebäude genannt.

Panisch versuchte Kirsten die Videokamera neu auszurichten und anschließend mit der Fotokamera ein paar Schüsse zu machen - nicht einfach, denn die Rakete schoss mit einer unglaublichen Geschwindigkeit in den Himmel. Helen dagegen schaute sich entspannt das Geschehen durch das Fernglas an und sah sogar, wie die Feststoffraketen abgesprengt wurden. Nach ein paar Sekunden war dann alles vorbei - man sah nur noch den Kondensstreifen am Himmel, der sich zu einer Schlangenlinie krümmte.

Anschließend haben wir uns dann über unser Video totgelacht. Man hört deutlich den Countdown (das Bild zeigt das angesagte Gebäude), dann hört man die Leute "Wo?" schreien und dann erfolgt ein rasanter Schwenk der Kamera nach rechts (die Rakete ist bereits über dem Gebäude zu erkennen). Da Kirsten anschließend lieber fotografiert hat, zeigt die Videokamera nach einer Sekunde nur noch ein Standbild des eigentlichen Gebäudes und man hört die Leute "Ahhh" und "Ohhhh" rufen. Aber wenigstens haben wir mal einen echten Start einer NASA-Rakete verfolgen können. Für Andrea war das an ihrem ersten Tag natürlich gleich ein Highlight!


Raketenstart im Kennedy Space Center.

Helen und ich beschlossen hier noch einmal herzukommen, wenn ein Space Shuttle gelauncht wird. Die beiden Shuttle-Rampen sind viel besser für das Publikum einzusehen und liegen nur ca. 1,5km vom Aussichtsturm entfernt. Mit bloßem Auge allein kann man das schon besser verfolgen! Wir haben bei der Delta 2 Rakete nicht einmal den Raketenlärm gehört - so weit weg waren wir.

Anschließend standen wir 20 Minuten in der Warteschlange für den Bus - die Sonne brannte vom Himmel. Beim SaturnV/Apollo Center sind wir ausgestiegen. Dort durchläuft man zunächst mehrere große Säle, in denen die Filme und die Geschichte der Apollo-Raumflüge gezeigt werden. Alle 4 Minuten wird man in einen neuen Raum geführt, wo die Fortsetzung des gerade Gesehenen erfolgt. So wird der Andrang auf dieses Center kanalisiert und man wartet nicht stundenlang in irgendwelchen Schlangen. Gut gemacht!

Die Geschichte der Apollo-Raumfahrt fängt mit den Misserfolgen Ende der 50-iger/Anfang der 60-iger an. Auf 3 großem Monitoren sieht man unbemannte Raketen nach dem Start explodieren. Das Wettrennen im All mit den Russen verlieren die Amis, als Yuri Gagarin erfolgreich als erster Mensch die Erde umrundet. Daraufhin erklärt J. F. Kennedy, dass die USA bis zum Ende der 60-iger Jahre den ersten Menschen zum Mond schicken werden.

Nach weiteren Misserfolgen gelingt es den Amis endlich mit der bemannten Apollo 8-Mission den Mond zu umkreisen. Diese Erfolgsgeschichte sehen wir in einem nachgebauten Houston-Kontrollzentrum - beim Start der Rakete glimmern sogar die Fensterscheiben und der Sound ist ohrenbetäubend. Im nächsten Theater sieht man zunächst über 3 große Bildschirme den Countdown für die Apollo 11-Mission. Den Amerikanern gelingt 1969 die erste bemannte Landung auf dem Mond (ob das wirklich so geschah oder der ganzen Welt nur eine Hollywood Inszenierung vorgetäuscht wurde, lassen wir mal dahin gestellt sein!). Jedenfalls sehen wir eine nachgebaute Mondlandefähre von der Decke des Theaters schweben und auf der Mond-Bühne landen. Dann "beamt" sich Neil Armstrong aus dem Nichts und man hört die berühmten Worte "One small step for men, one giant leap for mankind" und die Amerikanische Flagge ist zu sehen. Kurze Zeit später verlässt die Mondlandefähre mit einem lauten "Puff" wieder den Mond. Ganz lustig gemacht das Ganze!

Endlich haben wir alle Theater durchlaufen und die Türen öffnen sich in die riesige SaturnV-Halle. Wir kommen direkt hinter den Treibwerken der größten, je gebauten Rakete der Welt in die Halle. Imposant!

Das Apollo-Programm wurde 1977 stillgelegt und eine von noch drei verbliebenen, originalen SaturnV-Raketen ist in dieser Halle aufgebaut. Die einzelnen Raketenstufen liegen hier hintereinander weg in der gut 200 Meter langen Halle. Daneben ein kleines Modell mit den Erläuterungstafeln. Da es bereits 14.45 Uhr war, tilgten wir unseren Bärenhunger erst einmal mit Burgern und Hot Dogs. Anschließend verbringen wir noch gut 1,5 Stunden in der SaturnV-Halle, um in aller Ruhe alles anzuschauen. Sehr interessant und spannend!

Da unsere Eintrittkarte (35 US$) für zwei hintereinander liegende Tage gilt, lassen wir uns Zeit und nehmen einen der letzten Shuttle-Busse zurück zum Eingangsbereich des Kennedy Space Centers. Wir haben Glück und es läuft noch der 3D-Film über die Internationale Space Station in einem der beiden IMAX-Theater. Genial gefilmt und ein gelungener Abschluss für diesen tollen Tag. Draußen war es inzwischen dunkel geworden und die Raketen im Raketenpark waren angeleuchtet. Aufgrund der vielen Mücken war das Fotografieren allerdings eine Qual.

Die Nacht haben wir in Titusville auf einem Wal-mart Parkplatz verbracht - Andreas erste ohne Dusche!

Am Sonntag morgen waren wir pünktlich um 9 Uhr wieder beim Kennedy Space Center. Als erstes stand der zweite IMAX-Film "The dream is alive" auf dem Programm. Er erzählt die Geschichte des Space-Shuttles mit super tollen Bildern aus dem All. Kirsten gelingen ein paar gute Schnappschüsse! Anschließend treffen wir im Zentrum des Eingangskomplexes Jon McBride (Meet the astronaut). Er war der Pilot der ersten Challenger Shuttle-Missionen und hat die meisten Szenen aus dem gerade gesehenen IMAX-Film gedreht. Die Challenger explodierte einige Jahre später beim Start aufgrund eines defekten Dichtungsringes.

Wir hatten es uns gerade mit einem Stück selbstgemachten Schokoladenkuchen auf den Sitzbänken im Open-Air-Theater gemütlich gemacht ... Jon McBride betrat die Bühne ... wir klatschten brav alle Beifall ... Jon fing an von der letzte tragischen Columbia Katastrophe zu sprechen ... und Helen rief "Scheiße!". Das war es im wahrsten Sinne des Wortes! Ein Vogel hatte Helen zielsicher auf die Stirn geschissen. Die warme Scheiße lief ihr langsam die Nase runter.

Andrea und Kirsten machten sich vor Lachen fast in die Hosen (nicht gerade passend zu dem, was Jon McBride gerade sagte). Helen musste sich dann erst einmal auf der Toilette die Haare und das Gesicht waschen. So verpasste sie die Hälfte von dem, was Jon erzählte. Es waren viele Kinder unter den Zuschauern und die durften ihm Fragen stellen. Im Anschluss stand er dann noch für ein Foto zur Verfügung. Zu unserer Überraschung sprach er sehr gut Deutsch.

Auf dem Gelände konnte man auch ein nachgebautes Space-Shuttle in der Originalgröße betreten. Die Pilotenkabine konnte man nur hinter einer Glasscheibe sehen - ansonsten stand man im fast leeren Frachtraum des Shuttles. Es wirkte recht klein und wir hatten es uns eigentlich spannender vorgestellt. Eine junge Frau demonstrierte mit einer Gasfackel, wie hitzebeständig die Silikat-Kacheln für den Widereintritt in die Erdatmosphäre sind. Sie sind nur ca. 3cm dick und wiegen lediglich ein paar Gramm.

Nachdem wir alle weiteren Ausstellungen gesehen hatten, fuhren wir am frühen Nachmittag zur Astronaut Hall Of Fame. Durchs Astronauten-Museum hindurch führt der Weg direkt in ein Astronauten-Training-Center. Hier kann man anhand von Simulatoren seine Raumfahrt-Qualitäten testen. Helen und Andrea mussten natürlich gleich in den Fliehkraft-Simulator.

Zwei 1-Mann-Kabinen sind gegenüber auf einer rotierenden Scheibe befestigt. Drinnen schnallt man sich auf einem Sitz an und hält sich mit den Händen an zwei Griffen vor dem kleinen Monitor fest. Dann schließen sich die Türen und auf dem Monitor läuft ein Hubschrauber-Flug durch einen Canyon ab. Die Scheibe dreht die beiden Kabinen 5 Minuten lang mit einer relativ hohen Geschwindigkeit. Der Körper wird mit 4G (dem vierfachen Körpergewicht) in den Sitz gedrückt und man spürt einen ziemlichen Druck auf den Oberkörper - die Wangen werden leicht nach hinten gezogen.

Helen und Andrea waren begeistert. Kirsten wurde schon beim Zugucken schlecht und sie ließ diesen Test zunächst aus. Gleich im Anschluss ging es in einen hydraulischen Simulator, in dem ebenfalls ein Film ablief. Kirsten saß in der Mitte und wurde kräftig hin- und hergeschüttelt. Sie fand das so witzig, dass sie jetzt doch noch den Fliehkraft-Simulator ausprobieren wollte. So schlimm wird es schon nicht sein.


Astronauten-Training im Fliehkraft-Simulator.

Andrea hatte nach den beiden Simulatoren etwas wackelige Beine und so beschloss Helen noch einmal in den 4G-Simulator mit Kirsten zu steigen. Sie hatte Kirsten eigentlich davon abgeraten und machte sich Sorgen, dass Kirsten während der rasanten Fahrt die rote Stopp-Taste drücken würde. Kirsten fühlte sich noch sehr gut, als sie sich in die enge Kabine setzte. Kaum ging die Tür zu, bekam Kirsten einen klaustrophobischen Anfall und konnte kaum atmen. Sie war kurz davor den Knopf zu drücken, aber der Film lief bereits an und der Simulator nahm Geschwindigkeit auf. Kirstens Herz raste und sie befürchtete in dieser engen Kabine zu hyperventilieren. Warum war sie nur da rein gegangen? Die Augen starr auf den Bildschirm gerichtet, versuchte sie an was Schönes zu denken und das half ein wenig. Bei 4G schmerzten ihre Arme, die wurden nämlich immer länger mit dem zunehmenden Druck und die Wangen fingen an zu kribbeln. Zu diesem Zeitpunkt hätte Kirsten die Stopp-Taste nicht mehr drücken können, da man die Arme gar nicht dorthin bekommen hätte. Zum Glück hatte die Fahrt bald ein Ende ... die Tür ging auf, obwohl sich die Scheibe noch leicht drehte. Kirsten machte den Fehler den Kopf zu drehen und aus der Tür zu gucken. Schlagartig war ihr kotzübel und sie hätte fast zur Kotztüte gegriffen. Die Augen wieder auf den Bildschirm geheftet, wartete und wartete Kirsten. Alles drehte sich um sie herum. Dann sagte der Typ "You can get out now" und Kirsten stellte überraschend fest, dass die Kabine schon längst still gestanden war. Helen wartete schon, als Kirsten mit wackeligen Beinen endlich aus der Kabine gekrochen kam. Kirsten musste sich dann erst einmal hinsetzen - der Magen drehte sich gewaltig und ihr war sooooooo übel.

Während Helen sich noch zum Abschluss in einen Hängegurt schnallen ließ, mit dem man angeblich ein Gefühl dafür kriegen sollte, wie es sich auf dem Mond läuft, hockte Kirsten mit sich kämpfend auf dem Boden. Ins All wird es in ihrem Leben nie gehen - das steht schon mal fest! An der frischen Luft erholte sie sich wieder ein wenig, war aber für den Rest des Abends nicht mehr wirklich zu gebrauchen. Gut, dass die Astronaut Hall Of Fame nicht am Anfang unserer zwei super spannenden Tage im Kennedy Space Center gestanden hat!

Kurz vor der Brücke zum Merritt Island N.W.R. haben wir direkt am Wasser einen schönen Platz für die Nacht gefunden. Die Noseems (kleine eklige Beißfliegen) fanden uns auch toll und hinterließen auf Kirstens und Andreas Körper viele juckende, rote Flecken. Wir sahen am nächsten Tag aus, als hätten wir die Masern bekommen.