07.-13.03.2005: Palenque - Misol-Ha - Agua Clara - Agua Azul - San Cristóbal de Las Casas - Chamula - Zinacantán

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Am Montag war dann erst mal ein Ruhetag angesagt. Während Kirsten eine Fuhre Franzbrötchen backte, gönnte sich Helen eine Massage von über einer Stunde. Die Masseuse war hochschwanger und konnte deshalb nur sanfte Berührungen machen. Helen kam der Anfang etwas "mexikanisch" vor - die Masseuse stand gut 10 Minuten mit den Handflächen nach oben ganz ruhig auf der Stelle bevor es los ging ... Hommmmmmmmm!

Am Dienstag sind wir dann für 13 US$ pro Person auf eine Ganz-Tages-Tour zu den Wasserfällen von Misol-Ha und Agua Azul gegangen. Weder Peter noch wir hatten Lust die hügelige Strecke bei dieser Hitze mit dem eigenen Fahrzeug zu machen. In einem Air-Condition-Minivan ging es mit 12 Personen (die anderen kamen aus Holland und der Tschechei) zunächst zu dem 35m hohen Wasserfall von Misol-Ha. Wir hatten eine halbe Stunde Aufenthalt dort und man konnte auf einem sehr rutschigen, nassen Pfad auch hinter den Wasserfall gehen.

Dann ging es weiter nach Agua Clara. Ein wunderschöner milchig, grüner Fluss schlängelt sich durch die Dschungel-Landschaft. Über eine Hängebrücke konnte man auf die andere Seite laufen und sogar baden.

Der Höhepunkt des Tages waren dann die vielen Wasserfälle von Agua Azul. In mehreren Stufen läuft hier das glasklare Bergwasser über mächtige Wasserfälle ins Tal. Anstatt wie alle anderen unten zu baden, sind wir ganz nach oben gelaufen und fanden einen sehr schönen, schattigen Platz mit ganz wenig Leuten zum Baden. Das Wasser war erstaunlich kalt bei dieser Hitze und es nahm einem kurz die Luft. Aber herrlich erfrischend! Ganz unten sah das Wasser milchig und dreckig aus - Kinder, Hunde und sehr viele Erwachsene tummelten sich dort.


Misol-Ha, Agua Clara, Agua Azul.

Nach 3 entspannten Stunden in Agua Azul, ging es dann in einem Rutsch wieder nach Palenque. Auf halber Strecke mussten wir allerdings kurz anhalten, das einer Holländerin auf dieser kurvigen Straße schlecht wurde und sie sich übergeben musste. Sie war aber nicht die einzige - in einem kleinen Dorf stand ein Mexikaner hinter einem Kleinbus und kotzte sich den Magen aus. Besser nicht hinschauen. Die Tour hatte sich gelohnt!

Am nächsten morgen sind wir dann mit Peter und Irene zu den Maya-Ruinen von Palenque raufgefahren. Für uns gehören sie zu den mit Abstand schönsten Ruinen in Mexiko. Diverse Pyramiden und Tempel liegen auf einem Berghang und sind vom dichten Dschungel umgeben. Überall findet man sehr detaillierte Reliefs auf den Mauern, Säulen und Wandtafeln.

Palenque wurde erstmals um 100 Jahre vor Christus bewohnt und florierte zwischen 630 und 740 AD, aus dieser Zeit stammen auch die meisten Gebäude. Um 900 AD wurde die Stadt verlassen und in der wohl regenreichsten Region Mexikos holte sich der Dschungel schnell sein Territorium wieder zurück.

Genau wie in Uxmal und Chichén Itzá fahren hier die Tourbusse in Maßen hoch, der Eintrittpreis liegt aber bei moderaten 38 Pesos (3,50 US$). Um den Menschenmassen zu entgehen, muss man eigentlich vor 10 Uhr da sein, aber wir schafften es erst um 9.45 Uhr. Helen bekam Platzangst zwischen den vielen Touristen und machte sich erst einmal zu dem unteren Teil der Ruinen auf. Hier liegen nur vereinzelt alte Gebäudereste (nicht sonderlich spannend). Dafür führt aber ein Pfad direkt unter den Bäumen zu einem kleinen Wasserfall. Helen genoss ganz alleine den kühlen Schatten und konnte sogar ein paar Brüllaffen in den Baumwipfeln beobachten. Kirsten kletterte in der Schweinehitze dagegen auf jeden Tempel und jede Pyramide. Der Blick von oben ist fantastisch!

Nach gut 3 Stunden hat man aber genug. Auf dem Rückweg zum Campingplatz kommt man noch beim interessanten Museum vorbei. Leider war es den ganzen morgen über bewölkt - nicht so schönes Fotowetter, dafür aber ein paar Grade kühler, als in der sengenden Sonne.

Nach einer herrlichen kalten Dusche, haben wir uns erst einmal zur weiteren Abkühlung ein Magnum-Eis geholt. Im Restaurant trafen wir Frederike und ihre Schwester Lotte. Die beiden hatten wir schon am Strand in Tulum getroffen. Dort wurden alle ihre Sachen aus ihrer Hütte geklaut. Die Kreditkarten fanden sie am nächsten Tag im Sand wieder, zu dem Zeitpunkt waren die allerdings schon gesperrt. Hardin, ein Berliner, der in den USA studiert und gearbeitet hat und mit seinem selbstgebauten Wohlmobil unterwegs war, half den beiden mit Geld aus. Es dauerte aber Tage, bis die beiden Mädels wieder Zugriff auf ihre Konten hatten und so sind die drei mit dem letzten Pfennig in Palenque angekommen. Dort hatte der Alptraum aber, Gott sei Dank, sein Ende und es war schon köstlich die beiden strahlenden Mädels bei ihrem selbstbezahlten Mittagessen zu beobachten.

Abends saßen wir dann zu einer großen Deutschen Runde unter der Markise von Peter und Irenes Wohnwagen zusammen. Der Himmel verfinsterte sich immer mehr und es fing an zu regnen. Am Anfang war es noch ein netter Nieselregen, dann brachen aber alle Himmelspforten und es regnete heftig die ganze Nacht durch.

Eigentlich wollten wir früh am nächsten morgen mit Peter und Irene nach San Cristóbal de Las Casas fahren, aber wir konnten aufgrund des Regens, der laut auf unser Alu-Dach prasselte bis 4 Uhr morgens nicht einschlafen. Kirsten ist dann um 7 Uhr zu den beiden rüber, um Bescheid zu sagen, dass wir noch einen Tag warten werden. Die Strecke von Palenque nach San Cristóbal geht durch die Berge und ist berühmt für ihre vielen Topes und die zeitweisen Überfälle durch die Zapatistas. Diese kämpfen seit Jahren um die Unabhängigkeit von Chiapas und es kommt immer wieder zu gewalttätigen Zusammenstößen zwischen dem Mexikanischen Militär und den Unabhängigkeitskämpfern. Madeleine und Peter, die wir in Ciudad Victoria getroffen haben, wurden hier 2003 mit einer Pistole bedroht und konnten nur nach Zahlung von einigen Hundert Pesos ohne Schaden weiterfahren. Im Moment soll sich die Lage aber entspannt haben.

Peter und Irene hatten Verständnis dafür, dass wir uns übermüdet nicht auf diese Strecke einlassen und fuhren schon einmal vor. Die beiden haben nur noch bis zum 23. April in Mexiko und müssen sich ein bisschen sputen. Kirsten hat sich dann anschließend noch einmal für ein paar Stunden schlafen gelegt.

Am frühen Nachtmittag hat Helen dann die Zeit genutzt, um Kirsten die Haare zu schneiden. Nach über 3 Monaten wurde das auch wieder mal Zeit. Am Nachmittag erfuhren wir dann von einem englischen Ehepaar, dass sie vor zwei Tagen auf der Strecke San Cristóbal - Palenque von einem Mob Menschen in der Nähe von Ocosingo angehalten wurden. Es war der Tag der Frauen in Chiapas und jedes Auto wurde angehalten und es wurden 300 Pesos (fast 30 US$) gefordert. Die beiden haben das erst abgelehnt, daraufhin drohten die Leute ihren Range Rover mit Stöcken zu demolieren. Mit 150 Pesos kamen die beiden dann davon. Wir sollten uns aber keine Sorgen machen, denn vermutlich war es nur an diesem Tag zu den Geldforderungen gekommen.

Am Freitag morgen sind wir dann schon sehr früh bei strahlendem Sonnenschein auf die 215km lange Bergstrecke nach San Cristóbal gegangen. Wir haben insgesamt 180 Topes auf dieser Strecke gezählt. Zum Glück waren die aber nicht sehr hoch. Dafür gab es aber fast überall keine Hinweisschilder und man musste höllisch aufpassen, nicht ungebremst über einen dieser Hindernisse zu fahren.

Wir hatten morgens noch unseren Propantank auffüllen lassen und bemerkten nach einer Stunde den starken Geruch. Es stellte sich heraus, dass das Ventil nicht ganz geschlossen war und das Gas zischte raus. Wir haben gut 2 Liter auf der Strecke verloren, konnten das Ventil aber wieder in Ordnung bringen.

Bis kurz vor San Cristóbal haben wir nur 6 Stunden Fahrzeit gebraucht. Zwischendrin versuchten ein paar Frauen uns mit einer gespannten Leine über die Straße anzuhalten, um uns Früchte zu verkaufen. Wir hupten laut und fuhren mit normaler Geschwindigkeit weiter. Das Band wurde in letzter Sekunde losgelassen.

Wir freuten uns schon, dass am heutigen Tage wohl keine weiteren Straßensperren mit Geldforderungen sein würden, als wir bei der Einfahrt nach San Cristóbal de Las Casas in einen Stau gerieten. Der war ca. 3-4km lang. Es gab keinen Gegenverkehr und vor uns fuhren ein paar Autos aus der Schlange raus und überholten die Wartenden. Wir setzten uns frech dahinter - mal sehen wie weit wir kommen. Wir fuhren fast bis zum Anfang des Staus, als uns Fahrzeuge entgegenkamen. Man ließ uns nur zögerlich wieder in die Schlange (Verständlich! Aber in diesem Falle taten wir gerne mal auf "unerfahrene Touristen"). Es stellte sich heraus, dass kurz vor dem Ort ca. 50 Menschen die Straße versperrten. Pro Richtung wurden nacheinander nur jeweils 10 Fahrzeuge durchgelassen, aber nur, wenn man Geld bezahlt hatte, ansonsten wurde mit schwarzer Farbe "Libertad" auf die Autos gesprüht. Wir hörten von anderen, dass 20 Pesos gefordert wurden. Von uns wollte man natürlich 50 Pesos haben, aber Helen ließ sich ein kleines Faltblatt durch unser kleines Dreiecksfenster reichen und bezahlte 20 Pesos. Uns war schon ein wenig mulmig zumute, als ca. 5 Männer lautstark, mit ihren Händen auf unserem Fahrerfenster hämmernd, Geld forderten. Man ließ uns aber ohne weitere Probleme ziehen. Das Ganze Warten hat aber fast 1,5 Stunden gedauert und so kamen wir kurz vor Sonnenaufgang auf unserem Campingplatz in San Cristóbal an.

Irene und Peter kamen uns mit ihrem Auto entgegen, drehten aber noch einmal zum Campingplatz um. Die beiden hatten gestern Glück und kamen in keine Geldfalle.

Dann brannte uns noch unser Verlängerungskabel durch, wir hatten aber zum Glück noch einen anderen passenden Adapter. Was für ein Tag!

Den Samstag haben wir überwiegend ganz entspannt auf dem sehr schönen, unter Bäumen gelegenen Rancho San Nicolas Campingplatz verbracht. Er liegt nur 20 Minuten zu Fuß vom Zócalo entfernt und hat eine der besten heißen Duschen, die wir bis dato in Mexiko gefunden haben.

Peter und Irene haben uns dann abends mit in die Stadt genommen. Wir bummelten eine kleine Runde um den Zócalo. Eigentlich wollten wir anschließend gemütlich bei einem Inder essen gehen, aber Kirsten bekam urplötzlich Schweißausbrüche und zitterte am ganzen Körper. Ein Kaffeeflash! Irenes Kaffee war nicht entkoffeiniert und ist Kirsten auf die Pumpe geschlagen. Helen hat sich dann für ein Take-Away entschieden und wir sind mit dem Taxi zurückgefahren.

Am Sonntag sind wir dann sehr früh aufgestanden, um gegen 9 Uhr Mercedes am Zócalo zu treffen. Mercedes ist in Zinacantán, einem der kleinen Dörfer außerhalb von San Cristóbal, geboren worden und sie macht seit einigen Jahren Touren für Touristen nach San Juan Chamula und Zinacantán. Ihr Markenzeichen ist ein Regenschirm, mit dem sie kurz vor 9 Uhr auf dem Zócalo rumläuft. In diesen Dörfern leben Tzotzils, eine bestimmte Gruppe von Mayas, die Touristen gegenüber sehr scheu sind. Fotografieren ist in diesen Dörfern normalerweise nicht erlaubt, aber mit Mercedes ist das möglich, da sie selbst aus einem der Dörfer stammt. Man sollte allerdings nur indirekt Fotos machen und nicht offensichtlich auf diese sehr traditionellen Menschen die Linse halten.

Lustigerweise waren wir eine rein Deutschsprachige Gruppe - Peter, Irene, ein weiterer Deutscher, Peter - ein Schweizer und wir. Die 5-stündige Tour kostet 100 Pesos pro Person (ca. 9,50 US$). Kurz nach 9 Uhr ging es zu Fuß durch die Stadt, um im Norden eines der vielen alten VW-Busse zu besteigen.

San Juan Chamula ist ein kleines Dorf und liegt in einer Bergsenke gut 12km außerhalb von San Cristóbal. Mercedes brachte uns zu einem Familienhaus oberhalb des Dorfes und wir saßen von der Sonne geschützt unter einem Dach in deren Garten. Mercedes hockte auf dem Boden, wir saßen im Halbkreis auf Plastikstühlen. Sie erzählte uns etwas über die traditionelle Kleidung. Jedes Dorf hat sein eigenes Dress. In Chamula tragen alle Männer einen weißen oder schwarzen Wollponcho über ein lange Hose, dazu einen Strohhut auf dem Kopf. Die Frauen tragen einen Wollwickelrock und darüber eine sehr farbenfrohe, glänzende Bluse. Ein zusammengefalteter Schal liegt auf dem Kopf und schützt die Augen vor der Sonne. Es war ein sehr heißer Tag und wir fragten uns, ob die Chamula Tzotzils nicht unter ihren Wollklamotten tierisch anfangen zu schwitzen.

Wir erfuhren außerdem das alle Regionen in der Provinz Chiapas nach dem Aufstand der Zapatistas autonom wirtschaften und nicht von der Mexikanischen Regierung unterstützt werden. Die örtlichen Politiker sind i.d.R. korrupt und werden vom einfachen Volk gehasst. Die Tzotzils sind sehr religiöse Menschen und der katholische Glaube wurde hier mit den vor-spanischen Traditionen vermischt. Jedes Jahr finden hier zahlreiche Prozessionen statt, die die einzelnen Heiligen und Apostel in großen Straßenumzügen feiern und ehren. Bezahlt und organisiert werden diese Prozessionen von ernannten Dorfbewohnern. Für sie ist es eine große Ehre und sie warten im Schnitt 10 Jahre auf diese Chance. Jeder der drei "Padrones" muss dabei ca. 7.000 US$ aufbringen, eine ernorme Summein so einer armen Region.

Dann beschrieb uns Mercedes die Wunderheilung der Schamanen. Tzotzils glauben nicht wirklich an die moderne Medizin und gegen bei jedem kleinen Wehwehchen zu einem der angesehenen Schamanen. Dieser macht eine Pulsmessung und "plaudert" dabei mit seinen Patienten. Am Ende kommt dabei eine bestimmte Diagnose raus und der Patient erhält vom Schamanen eine Anweisung, wie viele Kerzen und in welcher Farbe er am Sonntag mit in die Dorfkirche zu bringen hat. Hinzu kommt ein lebendiges Huhn, ein paar Eier, Cocacola-Flaschen.

Wir sind nach dieser sehr detaillierten und interessanten Einführung ins Dorf runter gelaufen. Auf dem Zócalo fand eine politische Demonstration statt und man sah Hunderte von Tzotzil Männer in ihren Wollponchos und Strohhüten.

Wir hatten 45 Minuten Zeit, um uns in aller Ruhe den kleinen Markt und vor allem die sehr interessante Kirche anzuschauen. Fotografieren war hier absolut verboten. Die Kirche war wirklich etwas besonderes. So etwas haben wir noch nirgendwo gesehen.

Sitzbänke gibt es hier nicht. Stattdessen ist der gesamte Fußboden mit Tannennadeln bedeckt. Überall hockten Familien mit jeweils einem Schamanen auf dem Boden. Die farbigen Kerzen waren vor ihnen in sieben Reihen (entsprechend der 7 Energiezentren des Körpers) aufgestellt. Die Luft war aufgrund des Sauerstoffmangels zum schneiden dick, die Kirchendecke schwarz vom Kerzenrauch. Der Altar war mit weißen Lilien geschmückt. An den Seiten standen die Glaskästen mit den verschiedenen Apostel und Heiligen. Von der Bibel oder gar Jesus war weit und breit nichts zu sehen.

Der Schamane segnet die Kerzen, das Huhn und die Eier mit Posh (einer Art Feuerwasser aus Zuckerrohrschnaps). Nach der "Heilung" wird noch auf dem Kirchenboden gefeiert - mit Cocacola und Fanta. Das Huhn stirbt nach einer vom Schamanen vorausgesagten Zeit einige Tage später. Laut Mercedes sollte man den Schamanen wechseln, wenn das nicht exakt so eintrifft. Wenn da man nicht entsprechend nachgeholfen wird!

Mit dem VW-Bus sind wir anschließend dann nach Zinacantán gefahren. Dieses Dorf züchtet vor allem Blumen in den vielen Treibhäusern. Die Tzotzils tragen hier ganz andere Kleidung. Die wichtigen Männer im Dorf tragen einen weißen Short (sehr sexy!). Darüber einen sehr bunten Poncho und auf dem Kopf ein Tuch mit langen, bunten Bommeln. Faszinierend fanden wir aber das Schuhwerk - eine platte Holzsohle, um die Ferse eine steife und nach vorne offene Ledergamasche, an der zwei Lederriemen befestigt waren, die als Schnürsenkel funktionierten. Bequem sah das nicht aus! Die Frauen tragen hier sehr schöne handgewebte, schwarz-blaue Röcke, darüber einen breiten, ebenfalls feingewebten, Schal, der auch als Kopfbedeckung verwendet wird.

Mit Mercedes besuchten wir eine junge Frau, die alleine in einer Einzimmer-Hütte direkt am Zócalo lebt. Die Hütte war ca. 15qm groß - an der Decke hingen Strohmatten und getrockneter Korn. Die Küche bestand aus Töpfen, Pfannen und Geschirr, dass auf dem Boden stand. Ein offenes Feuer wurde auf dem Fußboden angezündet und die junge Frau machte uns frische Maistortillas. Ein Teigklumpen wurde dabei zwischen eine Holzpresse gedrückt und die Tortillas waren rund und superdünn. Eine sehr dünne, weiße Metallscheibe wurde direkt auf die brennenden Holzstücke gelegt und die Tortillas wurden in nur wenigen Minuten fertig gebraten. Mercedes wickelte eine Art Weichkäse in die Tortillas und wir wurden nach und nach gefüttert. Sehr lecker! Der Rauch in der kleinen Hütte war beißend und uns brannten schon nach kurzer Zeit die Augen. Ob die hier alle an Lungenkrebs sterben?

Ein Bett gab es nicht, die Tzotzils schlafen direkt auf dem Fußboden auf einer dünnen Strohmatte. Draußen hatte die junge Frau ein Toiletten-Holzhäuschen und einen kleinen Garten, in dem sie Gemüse und Korn anbaute. Ein paar Ziegen liefen darin rum. Im Gegensatz zu vielen anderen, hatte die junge Frau aber fließend Wasser. Ein echter Luxus hier.

Wir erfuhren von Mercedes, dass die junge Frau ursprünglich mit ihrer Schwester, Mutter und einer Tante in diesem Haus lebte. Alle waren aber inzwischen gestorben und da die junge Frau ihre Mutter jahrelang pflegen musste, konnte sie nicht verheiratet werden. In der Regel werden die Tzotzil Mädchen spätestens mit 14 Jahren an einen Jungen verheiratet - mit 30 haben die schon bis zu 10 Kinder!

Mercedes schätzte das Alter der Frau auf ca. 23. 80% der Menschen in Chiapas können nicht Lesen, Schreiben und Rechnen. Der Geburtstag wird hier nicht gefeiert und so wissen die meisten Menschen nicht, wie alt sie wirklich sind. Die junge Frau wartet nun schon seit einiger Zeit darauf, dass jemand vorbei kommt, um sie zu heiraten. Liebe ist für die Ehe kein Kriterium. Die Frau muss gut kochen, putzen und nähen können und in jedem Fall gebärfähig und dem Manne ergeben sein.

Ein Onkel wollte die Frau zu sich nehmen, aber damit hätte sie ihr Haus und ganzes Habe verloren. Mercedes hat sich für sie stark gemacht und damit die junge Frau leben kann, bringt Mercedes ihre Touristen hierher. Wir haben jeder ein kleines Trinkgeld für das Mahl hinterlassen.

Mercedes erzählte uns auch etwas über ihre eigene Geschichte. Sie ist in diesem Dorf groß geworden und wollte als junges Mädchen weder heiraten noch sich an die lokalen Traditionen anpassen. Sie war vernarrt in Bücher und wollte eine echte Schulausbildung genießen. Die Kinder gehen - wenn überhaupt - nur ein paar Jahre hier zu Schule, da sie schon mit 9-10 Jahren auf der Straße arbeiten müssen. Mercedes ging nach Mexico City und finanzierte ihre Schule durchs Arbeiten. Sie ist die älteste von 9 Kindern und war damals (wir schätzen sie heute auf Mitte 50) eine echte Revolutionärin. In Mexico City wäre sie fast verhungert, wurde dann aber von einer sehr netten Familie aufgenommen und konnte sogar studieren. Sie arbeitete zunächst als Lehrerin und später als Touristenführerin. Zwei ihrer Schwestern folgten ihren Fußstapfen und Mercedes kümmert sich heute rund um San Cristóbal um junge Mädchen und Frauen, die emanzipierte leben wollen.

Für uns war diese Tour ein echter Highlight unserer Mexikoreise. Dank Mercedes haben wir einen tollen Einblick in die Traditionen und Lebensweisen der Indianer bekommen.