19.-25.06.2006: Hamburg

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Am Dienstag, den 20. Juni holte Helen Kirsten dann schon um 14 Uhr von der Arbeit ab und wir sind direkt zum Heiligen Geistfeld gefahren. Deutschland spielte an dem Tag gegen Ecuador und wollte unbedingt Gruppen-Erster mit einem Sieg werden. Man musste sehr früh da sein, um überhaupt noch aufs Heiligen Geistfeld zu kommen, denn bei den Deutschland Spielen waren immer mehr als 70.000 Besucher da. Ein irres Gefühl unter so vielen begeisterten Fußballfans zu sein - alle im Deutschland Outfit. Die etwa 2000 Ecuador Fans saßen auf einer der fünf Tribünen und feierten ebenfalls ausgelassen.

Wir stärkten uns erst einmal mit einem sehr leckeren Indischen Essen am Togo-Stand. Es gab hier Zelte von allen 32 WM-Teilnehmern, i.d.R. mit deren landesüblichen Speisen und Getränken. Bei der Elfenbeinküste gab es sogar kostenlos Schokolade. Außerdem konnte man auf diverse Torwände schießen oder an einem großen - menschlichen - Tischfußball mitmachen. Helen hat in der "Italienischen"-Mannschaft gespielt und gegen "Ghana" gewonnen - sollte das schon ein Omen für den späteren WM-Sieger sein?

Unter der riesigen 80m² großen Leinwand befand sich eine Bühne auf der Live-Musik, Fan-Spiele und andere Unterhaltungsaktionen stattfanden. Wir suchten uns einen guten Platz etwas weiter weg von der Bühne - hinten konnte man besser schauen, ohne sich den Nacken auszurenken.

Man bekommt schon wirklich Gänsehaut, wenn 70.000 Menschen die Deutsche Nationalhymne singen (wer konnte die vor dieser WM schon mitsingen?) und ein Schwarz-Rot-Goldenes Fahnenmeer zu sehen ist. Ein ganz neues Nationalgefühl, das man lange in Deutschland nicht kannte oder sich nicht traute auszuleben. Einige dumme Politiker warnten schon wieder vor einem bedenklichen Nationalstolz. Dabei wollten die Leute doch nur fröhlich dieses unglaublich friedliche und begeisternde Sport-Ereignis feiern. Selbst Nicht-Fußballfans ließen sich mit in den Bann reißen und feierten kräftig mit. Die Hälfte der 70.000 auf dem Heiligen Geistfeld waren junge Frauen - man sah aber auch viele ältere Ehepaare, die staunend Hand in Hand über das Gelände liefen und viele Familien mit kleinen Kindern. Alles blieb friedlich und selbst am Eingang wurde nicht gedrängelt.

Wie immer begeisterte das Deutschland-Spiel. Schon in der 4. Minute schoss Klose das 1:0 und kurz vor der Halbzeit dann das 2:0. Am Ende gewannen wir verdient 3:0 und die Fans feierten ausgelassen in der Fressmeile. Dort waren inzwischen auch die Schwedischen und Englischen Fans eingetroffen, denn am selben Tag spielten beide Mannschaften in der Gruppe B um den Gruppensieg. Helen hoffte auf einen Sieg, aber mindestens auf ein Unentschieden - denn sie wollte in keinem Fall, dass England Gruppen-Zweiter und damit der nächste Gegner für Deutschland im Achtelfinale ist.

Schon vor dem Spiel ging beim England-Zelt die Luzie ab. Ein Rothaariger Engländer mit freiem Oberkörper schruppte auf seiner Gitarre daher und haute einen Robbie Williams-Klassiker sowie bekannte Fußball-Hymnen nach den anderen raus. Schwedische, Englische und Deutsche Fans sangen und tanzten ausgelassen auf den Tischen und Bänken. Ein tolles Happening!

Zu 99,9% spielen England und Schweden unentschieden und so sollte es dieses Mal auch wieder sein. England schoss das 1:0, dann glichen die Schweden kurz nach der Halbzeit aus. Gerrard haute dann in der 85. Minute den Ball aus 20 Meter unter die Latte (meistens traf er eher die oberen Tribünenränge!) und auf dem Heiligen Geistfeld schallten die Englischen Fußball-Hymnen. Doch Larsson schaffte in der 90. Minute noch den Ausgleich für die Schweden. Helen was happy und Kirsten war erleichtert, dass Deutschland und England nicht in der nächsten Runde aufeinander treffen. Wäre doch schade für einen von uns gewesen, wenn man nicht mehr mitfiebern hätte können - obwohl wir die Engländer natürlich von der Platte gehauen hätten!

Am Samstag ging es dann wieder zum Heiligen Geistfeld. Wir trafen uns morgens bei Heiko und Dörte zum Frühstück und fuhren dann gemeinsam zum nächsten Deutschland Spiel. Im Achtelfinale trafen wir auf die Schweden. Und was war das für ein geniales Spiel! 70.000 zitterten auf dem Heiligen Geistfeld, aber schon der erste Angriff der Deutschen war eine Traumkombination von Klose und Podolski und führte bereits in der 4. Minute zum 1:0. Deutschland stürmte und stürmte und fast jeder Schuss auf das Schwedische Tor war gefährlich. Unweigerlich viel dann in der 12. Minute bereits das 2:0 (ebenfalls Podolski) und wir bekamen uns vor lauter Freude fast gar nicht wieder ein. In der zweiten Halbzeit verschoss Larsson dann zum Glück noch einen unberechtigten Elfmeter, dass hätte sonst noch einmal knapp werden können.

Deutschland hätte dieses Spiel eigentlich mit 10:0 gewinnen müssen. Kirsten musste da immer an ihren Bruder Ralf denken. Der hatte nämlich vor der WM bei Media Markt einen neuen Fernseher gekauft und bekam für jedes Deutsche Tor (Ausnahme Elfmeterschießen) 10€ zurück erstattet. Ein guter Deal, denn am Ende des Turniers hatte die Deutsche Mannschaft mit 14 Treffern die meisten Tore geschossen - also 140€ für Ralf.

Nach jedem Deutschland-Spiel war die Reeperbahn überfüllt. Tausende brachten rund um das Heiligen Geistfeld den Verkehr zum Stoppen - eine riesen Fete, die auch in der U-Bahn und in den Bussen weiter gefeiert wurde. Man musste sogar befürchten, dass die Bahn bei dem wilden Gehoppse der Fans aus den Schienen springt. In ganz Hamburg gab es kein Auto, das nicht mindestens eine Deutschland-Fahne hatte und aus vielen Häuserfenstern hingen die Deutschland-Fahnen raus. Es wurde auf den Straßen gesungen, getanzt und wildfremde Menschen umarmten sich im Jubeltaumel. Während der Deutschland-Spiele waren die Straßen Menschenleer. Ein Land im Ausnahmezustand! Die Welt zu Gast bei Freunden! Und eine Nationalmannschaft im Sturm- und Spielrausch! Was will man mehr?

Jeden Tag gab es immer wieder schöne Szenen auf Hamburgs Straßen. So stieg Kirsten morgens in den Bus und eine Ghanaerin (oder sagt man Ghanerin?) sprang in letzter Sekunde hinten rein. Sie trug eine Ghana-Flagge über ihren Schultern und der Busfahrer nahm sein Mikro in die Hand und sagte mit tiefer Stimme: "Ghana gewinnt heute Abend gegen Brasilien". Die Frau lachte ihn fröhlich an und rief laut "Jaaaaa!". Der ganze Bus lächelte. Eine sehr schöne Begegnung, die man sonst nicht erlebt. Der Fußball bringt die Menschen aus aller Welt wirklich zusammen und die Fans feierten überall miteinander - egal ob ihr Team gewonnen oder verloren hatte. Toll! Es gab in Hamburg Mietshäuser mit 10 verschiedenen Nationalflaggen an den Fenstern - eine internationale Stadt, die wirklich super für die Olympischen Spiele wäre!

Am Sonntag sind wir dann mit Kirstens Mutter zum Heiligen Geistfeld gegangen. England spielte bei sehr schwülem Wetter sein Achtelfinale gegen Ecuador. Aufgrund schwerer Gewitter im Westen Deutschlands brachen die Fernsehleitungen ab und zu zusammen. In der 60. Minute bekam England einen Freistoß. Wir sahen noch wie Beckham anlief und dann war auf einmal der Bildschirm schwarz. Dann flackerte das Bild Sekunden später wieder auf und man sah die Engländer jubeln. Das 1:0 war während des Bildausfalls gefallen - ein toller Freistoß von David Beckham in einem ansonsten sehr langweiligen Spiel. Die Engländer jubelten mit Verzögerung auf dem Heiligen Geistfeld, als wir das Tor dann in der Wiederholung sahen.

Nach dem Spiel sind wir dann wieder zum England-Zelt gegangen und haben eine Weile lang den Fans beim feiern zugeschaut. Gegenüber gab es traditionelle Tänze der Portugiesen. Portugal sollte an diesem Abend die Holländer noch mit 1:0 besiegen.