16.-29.11.2012: Phoenix - Tucson

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Weiter ging es in Richtung Süden. In Phoenix hatten wir dann wieder sonnige 27° C. Wie letztes Jahr schon, verbrachten wir auf dem Weg nach Mexiko ein paar Tage bei Beth und Bill und ihren Kindern in Chandler (Phoenix). Beth und Bill machten am 18. November ihren ersten Ironman. 2,4 Meilen (3,8km) Schwimmen, 112 Meilen (180km) Fahrradfahren und anschließend noch einen kompletten Marathon (26,2 Meilen, 42km). Beide hatten schon mehrfach einen normalen Triathlon hinter sich, Bill war auch schon zweimal einen Marathon gelaufen, aber noch nie haben sie so eine Distanz zurück gelegt.

6 Monate lang mit wöchentlich bis zu 25 Stunden Training lagen hinter ihnen, beide waren hoch motiviert und sie wollten es endlich hinter sich bringen. Unter den 3000 Jedermann-Teilnehmern gab es nur ca. 10 Ehepaare, die diesen Ironman liefen.

Am Tag vor dem Rennen konnte man in Downtown Tempe auf dem Salt River ein Probeschwimmen machen. Das Wasser war A...kalt und Beth und Bill ließen es aus. Bill liebt das Schwimmen eh nicht und Beth plagte eine leichte Migräne. Beide mussten aber ihre Rennräder und die Umziehbeutel für die morgigen Wechselzonen abgeben.

Wir lernten Beths Trainingsteam und Coach kennen. Bill hatte sich alleine vorbereitet. Wir schauten uns das Start und Zielgelände an und staunten nicht schlecht, was da zum Teil aus dem Wasser stieg. Vor uns liefen zwei enorme Doppelwhopper, anders kann man die super Schwergewichtigen Damen nicht beschreiben. Locker 150 Kilo brachten die auf die Waage. Nehmen die beiden tatsächlich an dem Rennen teil? Ja, die eine hatte sogar schon ein Ironman-Tattoo und die Olympischen Ringe auf dem Fußknöchel. Um es vorweg zu nehmen ... beide Damen kamen eine Stunde vor Bill am nächsten Tag ins Ziel! Unglaublich! Die konnten auf ihren dicken Stampfern kaum gehen. Wie das Herz diese Belastungen mitmachte, ist uns unbegreiflich. Na ja, Fett schwimmt im Wasser oben und auf dem Fahrrad sorgt der fette Hintern, wenn das Rad erst mal rollt, für mehr Schwung. Nie wieder werden wir solche Doppelwhopper als "unsportlich" bezeichnen.

Da Beth um Bill am Renntag schon um 6 Uhr morgens vor Ort sein mussten, suchten wir für Winnie einen geeigneten Stellplatz für die Nacht. Wir sind eh keine Frühaufsteher und befürchteten, dass alle Parkplätze rund um das Startgelände belegt sein könnten. Die Ironman Teilnehmer konnten kostenlos im Parkhaus stehen, aber da kam Winnie wegen seiner Höhe nicht rein. Stattdessen fanden wir um die Ecke einen Restaurant-Parkplatz. Wir sprachen mit dem Besitzer und er gab uns das OK mit einer kleinen Nebenaufgabe. Wir sollten Winnie noch am Abend direkt in einer der Parkplatzeinfahrten parken, damit er am Renntag den Weg versperrt und der Restaurantbesitzer nur an der anderen Einfahrt Sicherheitspersonal für Restaurantbesucher aufstellen muss. Kein Problem, machen wir gerne. Wir sind dann abends noch in aller Ruhe durch das Startgelände geschlendert. Die 3000 Fahrräder - darunter 100 Profiräder, die jeweils mehrere Tausend US-Dollar kosteten - wurde von Sicherheitspersonal bewacht.

Wir stellten uns den Wecker und trafen uns pünktlich um 6 Uhr morgens mit Beth und Bill. Bill zog sich in aller Ruhe den Neoprenanzug an und sprühte die freiliegenden Körperteile mit einem Fettspray gegen die Kälte ein. Beth wirkte etwas unkonzentriert und musste in letzter Minute noch einen Toilettenstopp einlegen. Entsprechend gestresst zwängte sie sich anschließend in ihren Neoprenanzug. Beide kamen aber rechtzeitig zum Start.

Die Profi-Männer starteten um 6.45 Uhr, die Profi-Frauen um 6.50 Uhr und die 3000 Jedermänner um Punkt 7 Uhr morgens. Die Sonne war noch nicht mal aufgegangen. Beth und Bills Kinder Liam und Anya, sowie Beths Schwester Julie und ihre Nichte Brianna waren nicht zu sehen. Hatten die verschlafen?

Die Profis brauchen ca. 8 Stunden für den Ironman, Bill hatte für sich 12-13 Stunden veranschlagt, Beth 14-15 Stunden. Wir hatten also alle einen langen Tag vor uns. Alleine das Schwimmen dauerte bei den beiden 1 Stunde 20 (Beth) und 1 Stunde 30 (Bill). Wir hatten das Glück und sahen Beth nach dem Schwimmen auf dem Weg zur Wechselzone. Bill hatten wir verpasst. Die Männer sahen alle gleich aus in ihren Neoprenanzügen und Badekappen.

Die maximal erlaubte Schwimmzeit betrug 2 Stunden 20 Minuten. Wir beobachteten das Drama aus nächster Nähe. Eine Frau verpasste diese Zeit nur um wenige Sekunden und nicht nur ihr kamen die Tränen. Ein junger Mann musste völlig entkräftet kurz vor dem Ziel aus dem Wasser gezogen werden. Er kollabierte und wir sahen nur, wie die Rettungsleute ihn in dicke Decken hüllten und dann gleich zu einem Krankenwagen trugen. Er war total verkrampft und hatte sich offensichtlich im kalten Wasser total unterkühlt. Grauenhaft mit anzusehen!

Die Radrennstrecke war eine Schleife, die dreimal gefahren werden musste. Wir standen am Wendepunkt und schauten verzweifelt nach Beth und Bill. Gesehen haben wir die beiden erst Stunden später bei ihrer jeweiligen Zieleinfahrt. Bill hatte einen Grauen Rennhelm auf, den wir nicht kannten (am Tag vorher hatte er noch einen Schwarzen auf). Als Zuschauer war es gar nicht so einfach mit den eigenen Teilnehmern "Schritt" zu halten. Wir erfuhren erst später, dass es im Start- und Zielgelände eine Computerstation gab, bei der man anhand der Startnummern sehen konnte, welche Meilenmarkierung der Teilnehmer zuletzt passiert hat.

Nach 8 Stunden Zuschauen waren wir dann Ironman-fit und hatten eine Zuschauer- und Anfeuerstrategie für den Marathon. Wir suchten uns bestimmte Schleifenpunkte, an den Beth und Bill innerhalb von 15 Minuten vorbeikamen. Bill hatte in der zweiten Fahrradschleife Beth überholt. Vom Fahrrad war er mit total steifen Beinen gestiegen und er war in einer mentalen "Zone" - er hat uns nicht einmal beim Anfeuern gehört. Zum Glück ist Laufen seine Lieblingsdisziplin - sein lockerer Laufstil sah während des Marathons total entspannt aus und wir waren uns sicher, dass er das Rennen locker beendet.

Beth hatte vor dem Rennen Bammel vorm Laufen. Da hat man schon 8 Stunden Schwimmen und Fahrradfahren hinter sich und dann folgt auch noch ein kompletter Marathon. Da ist die Psyche mehr gefragt, als die Beine. Das Gute ist aber, dass man beim Laufen viel mehr vom Publikum mitbekommt. Beth traf auf der Strecke diverse Bekannte und hatte viel Spaß mit den anderen Läufern. Wir sahen sie mehrfach und sie sah ebenfalls total entspannt aus.

Die Sonne ging über Tempe unter und wir hatten immer noch mehrere Stunden vor uns bis zum jeweiligen Zieleinlauf der beiden. An einer Wasserstation trafen wir dann Liam, Anya und Brianna. Die drei hatten dort volontiert. Nachdem wir Mum und Dad angefeuert hatten, ging es erst einmal zum Winnie. Wir gönnten uns eine Snackpause. Das Zuschauen war nicht minder anstrengend. Auch wir hatten einige Meilen zurück gelegt!

Für den Zieleinlauf suchten wir uns dann Plätze auf der Tribüne der Zielgeraden. Es war einfach toll, die Jedermänner feiern zu sehen. Für viele war es das erste Mal ... und wahrscheinlich auch das letzte Mal! Ihnen und uns kamen die Tränen. Der älteste Teilnehmer war 85. Ein anderer machte bereits seinen 90igsten Ironman. Er trainiert gar nicht mehr und fährt einfach von Rennen zu Rennen. Unglaublich!

Bill lief nach 12 Stunden und 55 Minuten durchs Ziel, Beth nach 14 Stunden 40. Sie hätte auch locker eine Stunde weniger dafür gebrauchen können, aber sie hatte irre viel Spaß auf der Marathonstrecke und war mehrfach für einen kleinen Smalltalk mit uns und anderen Bekannten angehalten. Beth und Bill: You are an Ironman! Wir waren total stolz auf die beiden. Hier das Video zum Tag. Mehr braucht mal eigentlich nicht zu sagen!


Beth und Bills Ironman in Phoenix.

Sehr spät abends waren wir dann erst wieder zuhause. Nicht nur Beth und Bill waren total kaputt ... wir auch! Für uns stand fest, einen Ironman müssen wir im leben nicht machen, aber es war trotzdem super mal dabei gewesen zu sein.

Mitte der Woche war Thanksgiving und da Beth Probleme mit den Beinen hatte, backten wir die fünf traditionellen Kuchen - 2 Pecan Pies, 2 Pumpkin Pies und einen Apfelkuchen - und das für sechs Leute!!!


Kuchenbacken für Thanksgiving.

Am nächsten Tag folgte dann der riesige Truthahn im Ofen, dazu gab es Cranberry-Soße, Kartoffelbrei in zwei Varianten, Gemüse, ober-leckere Bratensoße und zum Nachtisch natürlich dann die Kuchen. Boah, waren wir voll!


Thanksgiving.

Am Freitag sind wir dann alle sechs zu einem Tattooladen gegangen, Beth und Bill ließen sich das Ironman-Symbol (ein M mit einem großen I-Punkt in Knallrot) auf die Fußknöchel tätowieren. Im Hinterraum lag ein junger Mann und ließ sich über die gesamte Brust die Flagge von Arizona tätowieren. Er roch nach Haschisch - anders waren die Schmerzen wohl auch nicht auszuhalten. Uns tat schon das Zugucken bei Beth und Bill weh. Beth zerquetschte fast die Hand ihrer Tochter! Nee, wirklich, auch das werden wir uns nie antun! Hart zu sagen, ob der Ironman oder das Tattoo schmerzlicher für die beiden war - immerhin war das Tattoo aber in 30 Minuten fertig!


Bill und Beth lassen sich das Ironman Tattoo machen. AUA!

Wir nutzten das Wochenende und finalisierten endlich unsere beiden Mittelamerika-Fotobücher - eins in Deutsch und eins in Englisch. Per Internet schickte Kirsten die 170 hoch aufgelösten PDF-Seiten an die Druckerei in Deutschland. Hoffentlich werden die dann noch vor Weihnachten fertig. Ein Geschenk an unsere Familien und an Helmut und Agnes, unsere Mitstreiter auf dieser Reise.

Auf dem Weg nach Mexiko machten wir noch einen 2-Tage Stopp in Tucson. Helen hatte auf ihrer Afrika-Reise Willis in Nairobi kennen gelernt. Er war damals ebenfalls alleine unterwegs, seine Deutsche Frau Isabel war mit ihrem kleinen Sohn Yuri bei ihren Eltern in Deutschland. Wir konnten kostenlos hinter ihrer Gemeindekirche auf einem Full-Hookup Platz stehen und Isabel kochte für uns super leckere Abendessen. Sie arbeitet in Tucson für ein Schweizer-Pharmakonzern und Willis ist zur Zeit der Hausmann und passt auf Yuri auf. Beide erwarten ihr nächstes Baby im kommenden April.

Wir hatten viel Spaß mit Willis und dem Zweijährigen Yuri und verbrachten einen Nachmittag auf einem Abenteuerspielplatz in einem nahe gelegenen Park. Helen wollte dort mal zeigen, wie locker sie von einer Schaukel im Vollschwung hüpfen kann. Die Schaukel hatte tiefe Sitze und Kirsten warnte Helen schon, sich am besten ganz nach vorne auf die Kante zu setzen vor dem Absprung. Es kam, wie es kommen musste ... Helen blieb an der Sitzkante hängen, gelangte in Rückenlage und knallte voll auf den Rücken. Die zurückschwingende Schaukel verpasste Helens Kopf nur um Millimeter. Helens geschockte Gesicht war zum Wegschmeißen. Wir haben uns vor Lachen fast in die Hosen gemacht, nur Yuri schaute Helen etwas verdattert an. Was macht die denn da unten auf dem Hosenboden? Zum Glück kam Helen verletzungsfrei aus dieser Stuntnummer!